Via-Alpina Woche 6

Via-Alpina Woche 6

Montag, Juni 30, 2025

Über die Zillertaler Alpen und quer durchs Karwendelgebirge

📏131km, ↗ 5’840m, ↘5’460m

Über die Zillertaler Alpen ins Inntal

Kurz vor acht Uhr morgens stehen Doris und ich beim reichhaltigen Frühstücksbuffet und lassen es uns schmecken. Nach unserem Check-Out geniessen wir unsere verbleibende Zweisamkeit in einem Park und spielen sogar noch eine Schachpartie gegeneinander. Gerade rechtzeitig, kurz bevor wir zum Bahnhof aufbrechen müssen, setzt mich Doris Schachmatt und gewinnt die Partie!

Der Abschied fällt uns nicht leicht und ich winke ihr noch lange nach, bis ich den Zug aus den Augen verliere.

Meine Verbindung fährt zwanzig Minuten später ein und bringt mich mit Zug und Bus zurück nach Finkenberg. Dort starte ich erst morgen wieder, da heute Nachmittag Gewitter angemeldet sind und jetzt bereits schon zwölf Uhr mittags ist. So verbringe ich die Zeit im Hotelzimmer mit Blog schreiben, mich auf die kommenden Etappen vorzubereiten und beobachte das Sommergewitter.

Am Abend esse ich im Hotel und lege mich spät schlafen. Dies rächt sich am nächsten Morgen. Ich bin müde und komme auch durchs Frühstück nicht so richtig in die Gänge.

Kurz vor halb neun stehe ich draussen vor dem Hotel und starte mit beinahe wolkenlosen Himmel. Die Luft ist leicht dunstig und die Sonne heizt sie so richtig auf. Aufgrund des gestrigen Niederschlags ist die Luftfeuchtigkeit heute so hoch, dass ich trotz des schattenspendenden Waldes richtig ins Schwitzen komme. Nebst der Hitze setzt mir heute auch die Müdigkeit zu und so habe ich Mühe mit dem Aufstieg und kämpfe mich die knappen achthundert Höhenmeter den Berg hoch.

Doch mit schattigem Weg ist nach dem ersten Aufstieg bereits fertig. Der Weg verläuft hauptsächlich weiter über langweilige Forst- und Schotterstrassen bei drückendem Sonnenschein. Auf und Ab entferne ich mich immer mehr vom Haupttal des Zillertals.

Gegen Mitte Nachmittag schlängelt sich die Schotterstrasse zur nächsten Hütte hoch. Die Sonne brennt noch immer vom Himmel und ich bin dankbar, dass ich meinen Sun-Hoodie dabei habe. Einziger Punkt: Manchmal bekomme ich merkwürdige Blicke, doch dazu später mehr.

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Als Sonnenschutz habe ich Sonnencreme, Hoodie, Cap und Brille dabei. Je nach Sonnenstand oder Wolkenbedeckung bin ich da im Einsatz sehr flexibel.

Eine bekannte Hautärztin hat mal geschrieben: “meiden, kleiden ,cremen”. Beachten sollte man dies genau in dieser Reihenfolge. “Meiden” ist auf meinem Trail meist nicht möglich. “Kleiden” geht wunderbar, ich bedecke möglichst viele Stellen meines Körpers vor der Sonne. “Cremen” muss ich dann nur noch Gesicht und Hände. 

So muss ich nicht zu viel Sonnencreme mit mir rumtragen und kann auch hier ultraleicht unterwegs sein. Weiter ist der Schutz durch Sonnencreme und dem Schwitzen sowie den vielen Stunden in der Sonne sowie nicht gegeben.

Mein Hoodie kühlt sehr gut, auch bei sengender Hitze. Einziger Nachteil, bei wirklich kompletter Windstille wird's warm. Doch das ist eher selten und nehme ich lieber in Kauf als Sonnenbrand.
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Am Abend in der Hütte sind wir zu zehnt. Zwei junge Studenten und eine Gruppe von sieben Deutschen. Im Gespräch mit den beiden Studenten tauschen wir uns über ihre Tour und meine aus. Während der eine fasziniert von meinem Vorhaben ist und ich mich mit ihm unterhalte, kriegt sich der andere fast nicht mehr ein, als er hört, wie lange ich unterwegs bin. Er wiederholt immer wieder die Worte “fünf Monate!” und stützt mit der linken Hand seinen Kopf an der Stirn ab. Ich muss schmunzeln. Später ziehe ich mich zurück und gehe spürbar erschöpft vom heutigen Tag schlafen.

Am nächsten Morgen beim Frühstück sind die beiden Studenten bereits abgereist. Ich komme noch mit den deutschen Wanderer ins Gespräch und werde zu meiner Tour und meinem Gepäck erneut ausgefragt.

Gestärkt durchs Frühstück geht’s heute, mit zwei ganzen Tagesetappen, nach Schwaz im Inntal und dann eventuell noch einen Teil auf der morgigen Etappe.

Der Weg führt langsam bergab ins Tal. Gegen Mittag snacke ich unterwegs etwas und habe einen prächtigen Blick auf das Inntal inklusive Innsbruck sowie in der Ferne das Karwendelgebirge, welches ich die nächsten Tage besuchen werde.

Bergab nach Schwaz wandere ich einen Teil auf dem “Weg der Sinne”. Ein Weg, der die Sinne ansprechen soll und auf mich den Eindruck eines Kunstprojektes macht.

Mein erster Halt unten in Schwaz ist eine gotische Kirche. Das dicke Gemäuer strahlt eine angenehme Kühle aus und ist eine willkommene Abwechslung zur Hitze draussen. Gleichzeitig kann ich hier meinen Handy-Akku laden und den Orgel-Spezialisten bei der Stimmung der Orgelpfeifen zuhören. Später, beim Verlassen der Kirche, bedanke ich mich fürs Handy laden, indem ich einige Münzen in den Opferstock werfe.

Als nächstes muss ich mein Paket abholen, welches ich vorherige Woche hierher zu dieser Paketabholstation umgeleitet habe. Alles verläuft reibungslos und ich kann zufrieden mein Vollmilchpulver-Nachschub für mein morgendliches Müesli entgegennehmen. Im Anschluss gönne ich mir im gekühlten Einkaufscenter daneben einen "zVieri".

Nach der Stärkung geht's auf die andere Seite des Inn. Die Sonne brennt weiterhin und ich merke, wie einige Autofahrer mich erstaunt ansehen und vermutlich nicht verstehen, warum ich so eingepackt bin. Doch stört mich dies nicht weiter und ich ignoriere es, denn sie wissen ja nicht, dass ich bereits den ganzen Tag in der Sonne unterwegs bin.

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Entlang der Karwendel-Hauptkette

Ich kaufe noch für die nächsten drei Tage Essen ein und steige am frühen Abend wieder auf, um mir weiter oben auf der morgigen Etappe einen geeigneten Zeltplatz zu suchen. Kurz nach acht Uhr abends werde ich fündig, baue mein Zelt auf, koche mir mein Abendessen und gehe zufrieden ins Bett.

Ich habe trotz Hitze wunderbar geschlafen und erwache kurz nach Sonnenaufgang. Die Sonne blinzelt durch die Wolkendecke und hüllt den Wald zum Frühstück in orangefarbenes Licht.

Nach dem Frühstück packe ich zügig zusammen, denn heute sind Mitte Nachmittag wieder starke Gewitter gemeldet und ich will unbedingt vorher am Ziel sein.

Die Wege führen mich von nun an die nächsten Tage durch den Karwendel Naturpark. Doch zuerst geht’s steil bergauf auf eine Hochebene und dann weiter hinten im Talkessel hinauf zum Lamsenjoch.

Hier oben beim Joch gibt's sogar eine Hütte, doch ich habe mich entschieden, noch eine knappe Stunde weiterzuziehen, um weiter unten auf einer Alm zu übernachten.

Beim Abstieg nimmt die Bewölkung zu, aber Gewitterwolken sind noch keine auszumachen. So treffe ich kurz nach Mittag auf der geplanten Alm ein und beziehe mein Bett im Lager.

Rund fünfzig Minuten nach meiner Ankunft hat sich das Wetter komplett geändert. Es regnet in Strömen mit Begleitung von Blitz, Donner und erbsengrossen Hagelkörnern.

Ich lausche aufmerksam dem Sommergewitter auf der überdachten Veranda und bin froh darüber, frühzeitig am Ziel angekommen zu sein.

Am Nachmittag plane ich die nächsten zwei Tage und schreibe an meinem Blog. Die Alm ist gut gefüllt und viele nächtigen in Zweier-, Dreier- oder Vierer-Zimmer. Ich teile das Zehner Lager mit “Tina” aus Deutschland.

Am frühen Abend setzte ich mich unten in der Gaststube zu Tina und wir tauschen uns über das Übliche aus. Von wo nach wo, wie lange, Gepäck und vieles mehr. Später sitzt Hanspeter zu uns. Ein sympathischer, älterer Herr mit grauem langem Bart und gelbem Shirt. Nach einem schmackhaften Nachtessen sowie langen und interessanten Gesprächen ziehe ich mich zurück und gehe schlafen.

Der nächste Morgen startet zunächst wolkenverhangen. Die ganze Nacht hat es geregnet. Doch durch den vielen Niederschlag hat es unglaublich angenehm abgekühlt. Nach einem ausgiebigen Frühstück starte ich motiviert und voller Tatendrang in den heutigen Wandertag.

Mein heutiger Plan ist es, in zwei Tagesetappen mit siebenunddreissig Kilometern und knappen tausendfünfhundert Höhenmetern ins nächste Dorf nach Scharnitz zu wandern.

Zuerst führt mich der Weg hinab in einen Talkessel und dann wieder hinauf zum Hohljoch. Die Wolkenbedeckung löst sich nach und nach auf. Nur an den Bergspitzen bleiben die Wolken hartnäckig kleben und bieten einen faszinierenden Anblick.

Ich lasse mir Zeit und geniesse den Augenblick noch eine ganze Weile. Links und rechts ist die geschlossene Karwendel-Hauptkette gut zu sehen. Sie begleitet mich seit dem Lamsenjoch und noch bis nach Scharnitz. Diese eindrückliche, über dreissig Kilometer lange, geschlossene Gebirgskette bietet im Osten bis zu tausend Meter hohe Felswände.

Mein Weg führt entlang der Kette und an der nächsten Hütte vorbei, hinab ins Tal. Dort packt mich der Hunger und ich esse etwas von meinem Proviant.

Anschliessend geht's wieder bergauf, auf den Hochalmsattel und erneut vorbei an einer Berghütte.

Vom Sattel hinab nach Scharnitz darf ich durch das ewige Karwendeltal absteigen. Zu meiner Linken werde ich immer noch von der Karwendel-Hauptkette begleitet.

Im Austausch mit Hanspeter habe ich gestern erfahren, dass dieser Abstieg bekannt dafür ist, dass er sich nach einer Ewigkeit anfühlt. Mich erwartet also ein rund achtzehn Kilometer langes, langsam abfallendes Gelände mit langweiligen Schotterstrassen. Doch bevor ich absteige, werfe ich nochmals einen Blick zurück auf einen Teil der Hauptkette. Die komplette geschlossene Kette, der ich gefolgt bin, kann ich leider nicht auf einem Foto einfangen, da diese leicht wellenförmig und nach Süden hin gekrümmt ist.

Anfangs ist der Weg bergab noch spannend, doch mit der Zeit sieht jede Kurve immer gleich aus. Einziger Trost, mich begleitet links immer noch die eindrucksvolle Gebirgskette sowie ein kleiner Fluss dazu.

Nach rund drei Stunden versuche ich mich mit Musik und Podcasts abzulenken. Doch gelingt mir dies mehr schlecht als recht. Zwischendurch habe ich Handyempfang und kann sogar mit Doris telefonieren.

Eineinhalb Stunden vor Scharnitz habe ich Schmerzen knapp unterhalb der Wade an der Innenseite meines rechten Beins. Ich bin zuerst verunsichert, doch bemerke ich bald, dass es vermutlich aufgrund einer Fehlbelastung oder Überlastung der Muskulatur herkommt. So reduziere ich mein Tempo und muss vermehrt Pausen einlegen.

Um halb sechs abends komme ich auf einem Campingplatz an, baue mein Zelt auf und kann mich endlich entspannen. Ich koche mir eine grosse Portion Gemüsesuppe mit Nudeln und esse dazu Roggenknäckebrot. Gut gesättigt unterhalte ich mich noch kurz mit jemandem und ziehe mich dann zufrieden ins Zelt zurück.

In der Nacht wache ich auf und muss die Kopf- und Fuss-seitigen “Fenster" von meinem Zelt schliessen, da es unerwartet zu regnen beginnt.

Bis kurz nach Sonnenaufgang regnet es leicht weiter. Die Wolkendecke ist bis zu meinem Abbau des Zeltes leider immer noch geschlossen, was keinen einzigen Sonnenstrahl zum Trocknen auf mein Zelt lässt. So muss ich es leider halb nass verstauen.

Kurz nach acht Uhr verlasse ich den Campingplatz und steige auf den hohen Sattel hoch und dann auf der anderen Seite wieder hinab. An meinem heutigen Ziel werde ich auf dem Seefelder Plateau in Leutasch auf rund tausendzweihundert Meter über Meer einen Ruhetag einlegen.

Durch die Schmerzen im rechten Bein komme ich nur sehr gemächlich voran. So kämpfe ich mich die knappen siebzehn Kilometer bis zum Ziel durch und besuche kurz vor meinem Hotel noch einen Supermarkt, um meinen Essensvorrat aufzustocken. Anschliessend folgt der Rest des Weges bis zum Hotel einem Fluss. Ich freue mich so auf mein Ziel und die Erholung, dass ich trotz Schmerzen, sogar noch die Musse habe, ein Foto zu schiessen.

Am späten Nachmittag geniesse ich eine herrliche Dusche und wasche anschliessend meine ganze Wanderbekleidung in der Badewanne. Das Wasser färbt sich dabei jeweils von Schweiss und Dreck braun, doch die Kleidung ist danach wieder frisch, zumindest am ersten Wandertag. 🙃 Zur Trocknung hänge ich die Kleider auf dem Balkon an der Sonne auf und lasse den Abend ausklingen.

Heute Sonntag frühstücke ich ausgiebig im Hotel und habe keine weiteren Pläne. Einzig: ruhen und meiner Muskulatur, vor allem im rechten Bein, genügend Erholung zu geben, damit ich dann montags wieder voller Elan weiterziehen kann.

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Nachklang

Die Wandersaison hat begonnen und das spüre ich auf den Hütten und unterwegs. Ich begegne nun nicht nur an Wochenenden vermehrt Wanderern, sondern auch unter der Woche. Die Unterhaltungen und den Austausch mit den anderen Wandernden und dem Hüttenteam sind für mich bereichernd und das schätze ich sehr. Ich mag kleinere Hütten und bin gespannt, welche Begegnungen ich da noch haben werde . Denn dort findet solch ein Austausch auch bei Vollbelegung noch statt. Doch bei den grossen Hütten mit über hundert Schlafplätzen ist dies nicht möglich, da dort schon fast eine Art Hotelbetrieb herrscht.

Einige grosse Hütten auf meiner Route sind in den nächsten Wochenenden teils fast komplett voll. Mit dieser Situation habe ich gerechnet und so werde ich im Juli und August meinen Ruhetag vermehrt aufs Wochenende legen, damit ich so den fast vollen Hütten ausweichen kann.

Als ich von Schwaz ins Karwendelgebirge gestartet bin, war ich der Überzeugung, dass ein halber Ruhetag für diese Woche ausreichend ist. Damit meine ich: früh einchecken, eine Nacht schlafen und spät auschecken, um so nur eine Nacht zahlen zu müssen. Doch nun brauche ich einen ganzen Ruhetag, also zwei Übernachtungen in einem Hotel, um mich von meiner muskulären Fehlbelastung zu erholen. Im Nachhinein bemerke ich, wie es für mich dennoch einen Gewinn darstellt. Denn ich kann meinem Körper die nötige Ruhe gönnen und dazu gleich noch der Rush-Hour auf den Hütten ausweichen.

In der kommenden Woche quere ich die nördlichen Teile des Tirols und wandere bis in die Allgäuer Hochalpen in Deutschland.

Bis dahin, liebe und sonnige Grüsse vom Tiroler Hochplateau ✌🏼

Sascha

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