
Via-Alpina Woche 18
Durch den Naturpark Queyras hinüber ins westliche Piemont
📏141km, ↗ 8’380m, ↘ 7’800m, 🗓️15.09. - 21.09.
Naturpark Queyras
Die Nacht war kurz, geschlafen habe ich nicht viel. Zudem fühle ich mich heute etwas gerädert. Beim Frühstück esse ich mässig viel und so starte ich ungewöhnlich platt in die neue Woche.
Heute muss ich, kumuliert betrachtet, tausend achthundert Höhenmeter ansteigen. Mich erwarten normale sieben Stunden Marsch mit einundzwanzig Kilometer Länge. Mein Ziel heute: eine Hütte, bei der ich nebenan mein Zelt aufschlagen werde.
Motiviert, doch eben irgendwie platt und körperlich nicht in Bestform, geht’s bergauf. Unter drei Meter dicken Wasserrohren durch, vorbei an Felsformationen kämpfe ich mich den Berg hoch. Da ich keine Motivation habe aufzusteigen, versuche ich mich mit meinem Blick in die Landschaft abzulenken.

Mehr oder weniger gelingt mir dies erstaunlicherweise recht gut. Kurz vor zwei Uhr treffe ich beim “Col de Garnier” ein und kann mein Ziel in der Ferne erahnen. Irgendwo unterhalb der Felsen mit den Schotterablagerungen sollte es sein.

Neunzig Minuten später habe ich es geschafft. Sichtlich froh und auch ein wenig erschöpft, nehme ich auf den vielen Sitzbänken vor der Hütte Platz. Ich bemerke, dass ich heute viel zu wenig getrunken habe und fülle deshalb zuerst einmal meine Wasserreserven auf und trinke ausgiebig.
Später melde ich mich bei der Hütte für mein Biwak, denn die Hütte ist voll und hat leider kein Bett mehr frei. Ich erfahre, dass ich mein Nachtlager im Naturpark von achtzehn Uhr abends bis neun Uhr morgens stellen darf. Also warte ich noch mit dem Aufbau, geniesse die Sonne, die Aussicht und ziehe mich später in die Hütte zurück. Denn draussen versperren mir Wolken die Sicht auf die Sonne und mit dem aufkommenden, kalten Wind wird's draussen langsam ungemütlich.

Drinnen ziehe ich mich um, mache es mir gemütlich und gehe später nochmals raus, um mein Zelt aufzubauen. Als ich mein Nachtlager fertig eingerichtet habe, beobachte ich, dass ich heute Nacht nicht der Einzige bin, der draussen schläft. Es sind noch vier andere Zelte hinzugekommen.
Das Abendessen und Frühstück gönne ich mir, trotz Biwak, in der Hütte. Dort komme ich wieder mit spannenden Leuten ins Gespräch und kann den Abend richtig geniessen. Nach einem leckeren Abendessen ziehe ich mich zurück in mein Zelt und entdecke draussen noch die beleuchtete Outdoor-Toilette.

Nach einer kühlen Nacht werde ich kurz nach fünf Uhr durch das Gebimmel der Kuhglocken geweckt. Doch aufstehen mag ich noch nicht und so döse ich wieder weg. Erst um viertel vor sieben stehe ich auf, ziehe mich um und mache mich auf zur Hütte.
Die Berge liegen noch im Schatten, als ich das Zelt verlasse. Die Sonne wird in den nächsten fünfzehn Minuten aufgehen, doch warten mag ich nicht, ich bin hungrig.
Nach einem ausgiebigen Frühstück baue ich mein Zelt ab, packe meinen Rucksack und starte kurz nach acht Uhr in die Morgensonne.

Das gestrige, platte Gefühl hat sich in Luft aufgelöst. Vermutlich weil ich wieder viel und gut geschlafen habe. So geht's heute zuerst tausend einhundert Höhenmeter bergab ins Tal. Die Wege sind steil, rutschig und führen mehrheitlich über Kies und Schotter. Beim Abstieg entdecke ich am anderen Talhang, wohin mich meine Route später wieder hinaufführt.

Unten im schmalen Tal lege ich einen Rast ein, snacke kurz und steige kurze Zeit später wieder auf der anderen Talseite an. Mich erwarten wieder ziemlich genau soviel Anstieg wie ich soeben Abstieg hatte. Also rund tausend einhundert Höhenmeter.

Um halb elf nehme ich den Anstieg in Angriff. Etwa in der Hälfte des Anstiegs führt mich der Weg durch ein kleines und im zweiten Weltkrieg wichtiges Bergdorf. Ich erfahre, dass hier die Koordinationszentrale zwischen der französischen la Resistance, den italienischen Partisanen und den Alliierten war. Ihre Aufgabe in der Operation “Toplink” war, zu verhindern, dass die Wehrmachtseinheiten in Norditalien die deutschen Truppen bei der Landung in der Provence unterstützen können.
Ich steige weiter an und treffe kurz vor halb eins auf dem Pass “Col de Bramousse” ein, wo ich auch gleich meine Mittagspause einlege. Mein Blick schweift in die Ferne und ich erkenne am anderen Talhang, oberhalb der Baumgrenze, von wo ich heute gekommen bin.

Nach meiner Mittagspause breche ich auf und steige ein letztes Mal hinab ins Tal nach Ceillac. Um halb drei Uhr bin ich bereits unten und mache es mir gemütlich. Eine Übernachtung weiter oben würde diese Nacht von den Temperaturen her gut passen, doch ich habe mir selbst vor zwei Wochen versprochen, dass ich die letzten Wochen eher gemütlich ausklingen lassen möchte, als ans Meer hinunter zu stressen.

Und so richte ich mich später auf einem Campingplatz ein, geniesse die Sonne, die Ruhe und die Musse. Am frühen Abend laufe ich ins Dorf und kaufe für die nächsten Tage ein. Denn ab übermorgen werde ich sieben bis neun Tage im südwestlichen Piemont unterwegs sein. Dieser Teil der Via-Alpina ist der abgelegenste und bietet auf der offiziellen Route keine Einkaufsmöglichkeiten. Erst wieder auf der französischen Seite kurz vor dem Ziel. Doch damit ich nicht Essen für bis zu neun Tagen schleppen muss, habe ich mindestens drei Rifugios eingeplant, wo ich Frühstück und Abendessen buchen werde. So kaufe ich nun für sechs Tage Essen ein und kehre anschliessend zum Zelt zurück. Am Abend dusche ich, koche, schreibe Blog und gehe kurz nach Sonnenuntergang ins Bett.
Mein heutiger Mittwochmorgen startet ultra entspannt. Um halb acht bewege ich mich aus dem Zelt und beobachte, wie einige andere Wandernden ihre Zelte bereits am Abbrechen sind. Ich frühstücke, plaudere mit Rosemie und Jean-Charles und wandere kurz vor zehn Uhr los.
Der Weg führt mich heute auf zweitausend siebenhundert Meter über Meer ins nächste Tal. Dort werde ich in einem Refuge übernachten. Doch nun geht’s zuerst bergauf. Bereits nach neunzig Minuten treffe ich beim “Lac Miroir” ein, wo ich auch gleich meinen ersten Rast einlege und die Umgebung geniesse.

Nach einer gemütlichen Pause ziehe ich weiter, hinauf zum “Col Girardin”. Doch zuerst komme ich gegen ein Uhr mittags wieder an einem See vorbei, dem “Lac Sainte-Anne” auf zweitausend vierhundert Meter über Meer. Ich lausche kurz der Stille, lasse meinen Blick über die Wasseroberfläche schweifen und ziehe kurz darauf weiter.

Vom See sind es nur noch dreihundert Höhenmeter bis auf den Pass. Ich steige in der sengenden Mittagshitze weiter an und bin knapp vierzig Minuten später oben auf zweitausend siebenhundert Meter über Meer. Ich werfe einen Blick zurück und habe einen atemberaubenden Blick über die Berge, die ich die letzten Tage überquert habe.

Ich könnte gefühlt ewig hier stehen bleiben und die Aussicht auf mich wirken lassen, doch irgendwann muss ich weiterziehen. Der Weg führt mich nun bergab, rund achthundert Höhenmeter hinab in ein wildromantisches Tal zu meinem Tagesziel, einem Refuge.

In der Mitte des Nachmittags treffe ich beim Refuge Maljasset ein, checke ein und beziehe mein Bett. Den Rest des Nachmittags lasse ich im Garten im Halbschatten mit wärmenden Sonnenstrahlen ausklingen, schreibe Blog und geniesse das Sein.
Am Abend komme ich mit zwei deutschen Frauen, Ende fünfzig, ins Gespräch. Sie haben ihre Männer Zuhause gelassen und sind zu zweit auf ihrem ganz eigenen Abenteuer unterwegs. Sie wandern einen Teil des Weitwanderwegs “GR5”. Dieser startet offiziell in Rotterdam und endet in Nizza. Wir haben uns viel und spannendes zu erzählen. Alles in allem ein sehr geselliger und erfüllender Abend.

Heute Donnerstag geht's über die Grenze ins Piemont nach Italien. Kurz nach acht Uhr starte ich bei wunderbarem Wetter und gestärkt durch das Frühstück. Zuerst führen mich die Wege entlang dem Fluss “L’Ubaye” und dann südwestlich in ein Seitental, wo ich sanft im Schatten der Berge aufsteige.

Eine Stunde später höre ich ein lautes Hundegebell. Ich denke sofort an eine Schafherde mit Schutzhunden. Zwei Minuten später bestätigt sich meine Annahme. Ich entdecke drei hüfthohe, weisse Fellknäuel, wie sie sich zügig auf mich zubewegen. Ich bleibe sofort stehen, beobachte die Situation, warte bis die Herdenschutzhunde sich mir nähern und verstanden haben, dass ich keine Gefahr für die Schafe bin. Kurz darauf bin ich dann auch bereits von Schafen wie auch Ziegen umzingelt und weitere Hunde folgen. Insgesamt zähle ich acht Herdenschutzhunde. Zwei Minuten später folgt dann auch noch die Hirtin, die mit ihren Schafen und Ziegen talwärts zieht.

Piemont
Um halb elf stehe ich oben auf dem “Col de Mary” und überquere die Grenze ins Piemont. Nun führen mich die Wege hinab ins Mairatal nach Chiappera, dem hintersten Weiler in diesem Tal. Allgemein gesehen, erwarten mich hier im Piemont wenig bevölkerte Landschaften und sehr viel Natur.

Kurz vor halb zwei Uhr nachmittags komme ich im Dorf an und lege eine Pause im Schatten der hiesigen Kirche ein. Ich esse, fülle meine Wasserreserven auf und checke meine Planung sowie mein Kartenmaterial, um herauszufinden, wo ich heute übernachten kann. Kurze Zeit später entdecke ich, eine gute Marschstunde von hier, geeignetes Gelände, um mein Nachtlager aufzuschlagen. Ich ziehe los und finde am späteren Nachmittag einen super Platz.. Am Abend koche ich, baue meine Lager auf und ziehe mich kurz vor Sonnenuntergang zurück ins Zelt.
In der Nacht wache ich kurz nach fünf Uhr auf und nutze die Gelegenheit, erneut Astrofotografien mit meinem Handy zu machen. Denn bisher habe ich die Sterne in der Nacht bei wolkenlosem Himmel oft bewundert, doch dies selten auf Fotos festgehalten.

Nach den Fotos lege ich mich wieder hin und geniesse den Blick in den Himmel, bis irgendwann am östlichen Horizont die Sonne den Himmel langsam in die Morgendämmerung verwandelt.
Mein Hunger meldet sich und so frühstücke ich. Währenddessen entscheide ich mich endgültig, mich von meiner rechten Socke zu trennen. Denn auch nach mehrmaliger Reparatur an der Ferse mit meinem Panzertape, fängt diese Socke im Schuh nun am Fuss zu reiben. Das sind dann perfekte Bedingungen für Blasen an der Ferse und ich hatte ja bisher noch keine Einzige - das soll auch so bleiben!. So ist für diese eine Socke die Via-Alpina nun Geschichte. Vielen Dank für diese vielen Kilometer, Ciao!
Kurz vor neun Uhr packe ich alles zusammen und starte bergauf in die Wälder des Mairatals.

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In meinem Gepäck habe ich zwei Dinge doppelt dabei. Ein ultraleichtes T-Shirt und ein zweites Paar Socken, welche ich alternierend verwende. Vielleicht fragt man sich, warum genau diese beiden Ersatzteile und nicht andere? Dies hat einen einfachen Grund, denn beide sind Reibungen ausgesetzt. Das Shirt durch Reibung des Rucksackes an den Schultern, Hüften und Rücken sowie die Socken an den Füssen. Da ich weiss, dass dieses Shirt und die Socken keine störenden Nähte und Hautreizungen erzeugen, habe ich mich für die zusätzlichen hundert Gramm (Shirt & Socken) entschieden, um nicht bei Ersatz unterwegs experimentieren zu müssen und allenfalls Hautreizungen bekomme.
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Die Wege liegen bis kurz nach halb elf angenehm im Halbschatten, doch leider muss ich immer wieder über matschige, ausgetretene und rutschige Pfade wandern. Zwischendurch stehen auch Kühe im Weg, die mir alle ausweichen. Als ich jedoch auf den Stier treffe, entscheide ich mich, ihm auszuweichen 🙃

Irgendwann lasse ich die Baumgrenze unter mir und steige weiter in Richtung Pass auf. Gegen Mittag wird es dann durch die brennende Sonne und den Aufstieg immer heisser. So muss ich vermehrt Pausen einlegen. Kurz vor dem Pass entdecke ich alte Geschützstellungen, die frei begehbar sind und wohl für den Zweiten Weltkrieg rege genutzt wurden, um die Grenze zu verteidigen.

Auf dem “Passo della Gardetta” führen mich die Wege südwestlich weiter, über eine Geröllhalde hinauf auf den nächsten Pass, dem “Passo di Rocca Brancia”. Dort stelle ich mir die Frage: "Wo übernachte ich heute?". Denn ein klares Ziel für mein heutiges Nachtlager habe ich aktuell noch nicht. Doch zuerst muss ich raus aus diesem Talkessel, denn hier liegen nur Geröll und Felsen, zudem gibt es nur steile Hänge, also ungeeignet für mein Nachtlager.

Fünfzig Minuten später werden die Hänge wieder etwas geeigneter und flacher für ein Nachtlager. Ich schaue mich um und entdecke die Fläche, welche ich bereits auf der Karte als möglichen Platz gefunden habe. Doch vieles deutet darauf hin, dass hier Kühe ihre Nacht verbringen. Dennoch, ich geniesse zuerst einmal die Ruhe, koche mir mein Abendessen und halte Ausschau nach Kühen, die von weiter oben absteigen. Denn das tun Kühe normalerweise gegen Abend, um vermutlich der Kälte und dem Wind weiter oben auszuweichen.
Kaum bin ich fertig mit meinem Nachtessen, höre ich auch schon in der Ferne die ersten Kuhglocken. Kurz darauf beobachte ich Kühe, die in meine Richtung absteigen. Währenddessen mache ich genau das Gegenteil. Ich steige noch weiter auf, um ihnen auszuweichen. Denn weiter oben gibt es auch noch Flächen, die, zumindest auf der Karte, danach aussehen, als wäre es dort einigermassen flach genug für mein Nachtlager.
Auf zweitausend fünfhundert Meter über Meer finde ich dann eine wunderbare Fläche, die ich ausgezeichnet nutzen kann und gleichzeitig auch das bisher höchstgelegenste Nachtlager auf meiner Reise ist. Mein Zelt steht kurz vor Sonnenuntergang. Ich geniesse die untergehende Sonne und verkrieche mich, kurz nachdem sie hinter dem Horizont verschwunden ist, unter meinen Quilt, schlafe kurz darauf ein.

Kurz nach sechs Uhr erwache ich und beobachte den Nachthimmel und die langsam aufkommende Morgendämmerung in der Ferne. Die Nacht war angenehm und nicht zu kalt, das Thermometer sank bis auf knapp sieben Grad. Doch frieren musste ich nicht und so hatte ich einen erholsamen Schlaf.

Die Sonne geht erst um viertel nach sieben auf. Bis dahin lasse ich meine Blicke in die Ferne schweifen und beobachte fasziniert, wie sich die Farben und Lichtverhältnisse von Minute zu Minute ändern und den Himmel und die Bergspitzen in anderes Licht hüllen. Kurz nach dem Sonnenaufgang frühstücke ich und warte gespannt, bis auch mich die ersten Sonnenstrahlen treffen. Denn im Osten steht noch ein etwas höherer Berg im Weg. Die ersten Strahlen treffen mich erst eine Minute vor acht Uhr.

Kurz darauf wärmen mich die Strahlen und ich bin dankbar und glücklich, meine vermutlich letzte Outdoor-Nacht in dieser Höhe verbracht zu haben. Denn in den kommenden Tagen fallen die Temperaturen, zudem ist Schnee bis unter zweitausend Meter angekündigt.
Heute führt mich der Weg hinunter ins “Val Stura", wo ich ein Zimmer in einem Bed & Breakfast gebucht habe und wieder einmal duschen und Kleider waschen kann. Bei perfektem Wetter steige ich ab und muss kurz vor dem Dorf noch durch ein ausgewaschenes Bachbett wandern, welches steil abfallend und durch ein Stahlseil gesichert ist. Mit dieser Passage habe ich dann doch nicht gerechnet. Und so mache ich mich kletternd und am Seil hängend über die doch anspruchsvolle Stelle hinweg und erreiche kurz nach Mittag das Dorf.

Wieder bin ich viel zu früh am Ziel und so besuche ich ein Rifugio und frage nach einem Mittagessen. Eine junge, nette Dame bereitet mir ein riesiges Sandwich zu, das ich im Nu verputzt habe. Später suche ich mir ein schattiges Plätzchen bei der Kirche, denn dort gibt es immer Sitzbänke, die irgendwie im Schatten liegen. Ich mache es mir gemütlich und schreibe Blog.

Am Nachmittag checke ich im B&B ein, richte mich ein, dusche und wasche meine Wanderkleidung. Fürs Abendessen gönne ich mir einen Besuch im einzigen hiesigen Restaurant und gehe nach einem leckeren Essen spät schlafen.
Heute Sonntag erwarten mich rund dreiundzwanzig Kilometer und tausend achthundert Meter Anstieg bis zu meinem Tagesziel, einem Rifugio. Es erwarten mich drei Auf- und Abstiege über drei Pässe. So starte ich kurz nach neun Uhr und wandere ins Seitental hinauf, um dann hinten im Talkessel in südöstlicher Richtung den ersten Pass in Angriff zu nehmen.

Vier Minuten vor elf Uhr treffe ich auf dem “Passo Scolettas” ein. Ohne Halt steige ich gleich wieder auf der anderen Seite ab. Dabei kann ich auf der anderen Talseite bereits meinen zweiten Pass in der Ferne erahnen. Die Wege bergab führen über alte Serpentinenstrassen in den Talkessel und danach auf der anderen Seite wieder aufwärts.

Im Aufstieg lege ich Hundert Höhenmeter oberhalb des Talkessel, bei einem bereits geschlossenen Rifugio, eine Pause ein. Doch ich bin nicht der Einzige, der diese Idee hatte. Denn drei andere Wanderer rasten auch hier. Unter anderem eine deutsche Wanderin, die auch alleine unterwegs ist. Kurz nachdem sie ihre Pause beendet, spricht sie mich an, ob ich auch die Via Alpina laufe. Denn sie hat mich seit heute Morgen beobachtet, wie wir denselben Weg laufen. Wir kommen kurz ins Gespräch, bevor sie wieder weiterzieht.
Etwas später beende auch ich meine Pause und ziehe gestärkt weiter. Beim Aufstieg auf den zweiten Pass hole ich die Deutsche, die, wie ich später erfahre, Franziska heisst, wieder ein. Sie füllt gerade bei einem Bergbach ihre Wasserreserven auf. Ich erfahre von ihr, dass sie sicherlich noch über diesen Pass hier oben läuft und dann unten beim nächsten Rifugio weiter entscheidet.
Ich ziehe weiter und überquere den “Passo di Rostagno” auf zweitausend fünfhundert Meter über Meer, raste und entdecke am gegenüberliegenden Talhang, oberhalb des Sees und der Geröllhalde, meinen dritten Pass. Doch zuerst geht’s wieder rund fünfhundert Höhenmeter bergab.

Da mein heutiger Weg rauf und runter geht, gleicht er im Höhenprofil eher einer Achterbahn als einer Bergwanderung. Unten beim See nehme ich die letzten Höhenmeter bergauf in Angriff und habe als stetigen Begleiter unangenehme Seiten- und Gegenwinde. Alles in allem mühsam und so bin ich froh, als ich auf meinem dritten Pass, dem “Passo di Laroussa”, eintreffe und nur noch achthundert Höhenmeter zum Rifugio absteigen muss.

Am späteren Nachmittag treffe ich in einem kleinen Bergdorf ein, wo auch gleich mein Rifugio liegt. Ich checke ein,beziehe als einziger Gast im Schlafsaal mein Bett und lasse den Nachmittag ausklingen.
Am frühen Abend trifft, zu meinem Erstaunen, auch noch Franziska ein. Beim Nachtessen sind wir neben vier anderen Gästen die Einzigen, die im Schlafsaal übernachten. Wir haben uns viel zu erzählen und kommen schnell in den Austausch. Ich erfahre von ihr, dass sie die Via-Alpina ursprünglich vor zwei Jahren gestartet hatte, doch diese dann leider nach rund drei Monaten aus gesundheitlichen Gründen abbrechen musste. So war sie gezwungen, ihre Via-Alpina auf mehrere Jahre aufzuteilen. Letztes Jahr ist sie dann drei Wochen gewandert und dieses Jahr läuft sie noch die letzten zwei Wochen bis ans Meer. Nach einem angenehmen Abend ziehe ich mich zurück und gehe früh ins Bett.
Nachklang
Ich merke, wie langsam der Herbst in den Bergen einzieht. Wobei ich nicht ganz sicher bin, ob man in den Bergen überhaupt davon sprechen kann, denn der Winter kommt meistens schnell und ab Mitte Oktober liegt in erhöhten Lagen meistens bereits Schnee. Dennoch, einige Hänge bekommen mittlerweile den ganzen Tag keinen Sonnenstrahlen mehr ab, da die Sonne auch mittags mittlerweile zu tief steht. Doch Bodenfrost habe ich bisher noch nicht angetroffen. Gleichzeitig bin ich davon überzeugt, dass ab nächster Woche dieser teilweise anzutreffen sein wird. Auch visuell macht sich der Herbst bemerkbar, viele Blumen die im Frühling blühten, sind schon lange verblüht, Beeren wurden gefressen, Murmeltiere haben sich ihren Wintervorrat angefressen und die Heidelbeeren-Sträucher färben sich rot. Faszinierend, wie sich die Natur in den Bergen im Laufe meiner Reise verändert hat.
Noch neun Tage und ich bin schon am Ziel in Monaco! Ich bin überrascht, wie schnell es plötzlich geht. Ich versuche nun die noch verbleibenden Tage mit allen ihren Facetten zu geniessen. Ich kann das kommende Ende meiner Reise leider immer noch nicht richtig einordnen und versuche einfach die letzten Tage der Reise noch wahrhaftig zu erleben.
Nächste Woche wird die letzte volle Woche auf der Via-Alpina sein. Ich werde weiter im südwestlichen Piemont unterwegs sein, bis ich mich aufgrund heftigen Schneefalls gezwungen sehe, meine Route unerwartet anzupassen und in den Südosten Frankreichs wechseln muss, um dort weiter dem Weg ans Meer zu folgen. Doch dies ist eine Geschichte, die ich euch nächste Woche erzähle.
Bis dahin, herzliche und sonnige Grüsse aus Südfrankreich ✌🏼
Sascha
