
Via-Alpina Woche 14
Durch die Bergwelt des Oberwallis bis ins Berner Oberland
📏177km, ↗ 8’940m, ↘ 9’070m, 🗓️18.08. - 24.08.
Aletscharena
Um halb sechs weckt ein klingelnder Wecker in voller Lautstärke das ganze Zimmer. Zwei französische Gäste haben da wohl die Frühstückszeit falsch verstanden, denn Frühstück gibt es erst um sieben Uhr. Ich drehe mich um und versuche wieder den Schlaf zu finden, doch zwecklos, es gelingt mir nicht.
Beim Frühstück plaudere ich wieder mit den beiden deutschen Damen und verlasse kurz vor acht Uhr die Hütte.

Bei strahlendem Sonnenschein starte ich in Richtung Aletschgletscher. Dieser liegt nur zwanzig Gehminuten von der Hütte entfernt, worauf ich mich besonders freue. Denn bisher habe ich den Aletschgletscher zwar bereits einmal live gesehen, doch nur aus weiter Ferne.
Heute geht's nun noch ein Stück näher. Ich laufe über Stock und Stein und entdecke ihn hinter einer Kuppe. Je weiter ich wandere, desto mehr entfaltet er seine Pracht.

Ein Wahnsinns-Anblick, der sich auf einem Foto schlecht festhalten lässt. Ich bleibe öfters stehen und bin auch nach mehreren Minuten überwältigt vom Anblick der Eismassen. Auch wenn er in den letzten hundert Jahren massiv an Masse verloren hat, ist der Anblick immer noch atemberaubend.
Der Weg, den ich wandere, ist zugleich auch der Panoramaweg des Aletschgletschers. Immer wieder mache ich Halt, bestaune den Gletscher und beobachte, wie sich die Schatten der Berge zurückziehen und der Sonne den Platz freigeben.

Ich kann mich kaum satt sehen, doch der Weg geht den Hang hoch und führt mich vom Gletscher weg. Weiter oben lege ich einen Rast ein und entdecke bei genauerem Hinsehen in südlicher Richtung das Weisshorn und links daneben das unverkennbare Matterhorn.

Doch dorthin wird mich der Weg nicht führen. Es geht bergauf durch den Aletschwald zur Riederalp. Dort kaufe ich etwas Kleines ein und mache meine Mittagspause im Schatten.
Nach dieser Stärkung geht’s wieder einen Teil auf demselben Weg zurück und dann den Aletschwald hinab in Richtung Fluss. Bergab spüre ich, wie mein Körper seit gestern einfach nicht gleich leistungsfähig ist wie sonst. Mir fällt es sogar bergab zu gehen schwer und mein Puls ist höher als sonst. Zudem habe ich seit Sonntag Halsweh und nun setzt noch so eine Art Schnupfen ein. Fazit: Ich habe mir da eine Erkältung eingefangen und, wie ich später erfahre, Verena auch. Wir vermuten, dass wir dies in der Hütte im Tessin unterhalb von Robiei aufgelesen haben, denn meiner Erinnerung nach war da ein Gast krank.
Weiter unten führt mich der Weg wieder über Felsen, die vor hundert Jahren noch von Eis bedeckt waren und dann über eine Hängebrücke über die Massa, die das Schmelzwasser des Aletschgletschers führt.

Auf der anderen Seite steige ich wieder an und suche mir dreihundert Höhenmeter weiter oben im Hang einen Lagerplatz für die Nacht. Am frühen Abend finde ich ein hübsches Plätzchen, richte mich ein und koche mir mein Abendessen. Heute gibt’s Teigwaren mit Landjäger und Gemüse. Nach dem Essen vergesse ich etwas die Zeit und will mich circa eine Stunde vor Sonnenuntergang für die Nacht einrichten.
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Übernachte ich im Zelt, ist meine abendliche Routine plus minus immer dieselbe. Ich pumpe meine Isomatte auf, breite meinen Quilt aus, damit er seine Bauschkraft entfalten kann, putze mir die Zähne, wasche mich, ziehe meine Schlafkleidung an und creme mir meine Füsse ein.
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Doch gerade als ich meine Zähne fertig geputzt habe, höre ich in der Weite die Kuhglocken nicht mehr. Das macht mich misstrauisch. Ich schaue nach, was da los ist und sehe eine Kuh, die gespannt hinter einem Felsen hervorschaut. “Oh nein, shit! Ich bin mitten auf einer Viehweide", fluche ich laut vor mich hin. Und dann, wie sie halt so sind, diese neugierigen Kühe, läuft die eine zu mir rüber und hinter ihr her, der Rest der Herde. Vorerst bleibe ich entspannt und packe nichts zusammen. Ruhig lasse ich die Kühe auf mich zukommen, auch junge Kälber sind dabei, inklusive deren Mutterkühen. Misstrauisch kommen zuerst nur zwei, drei zu mir, doch dann auch die anderen. Ich bin nun doch nicht mehr so entspannt, denn etwa zehn Kühe stehen um mich herum und alle sind neugierig. Zudem herrscht ein riesiger Lärm durch die Glocken. Ich entscheide mich, umzusiedeln und versuche alles möglichst zügig einzupacken. Doch als ich beginne, wird es chaotisch! Die eine knabbert an meinem Wanderstock, die andere schleckt am Zelt und wieder eine andere findet es spannend, meine Gaskartusche abzulecken. Alles ist voll Kuh-Sabber und so sind meine Augen überall. Sehr entschlossen packe ich meinen Rucksack so schnell und unkoordiniert wie noch nie. Das Zelt hat keinen Platz mehr und muss aussen irgendwie Platz finden. Ich entreisse der einen Kuh, die immer noch an meinem Wanderstock herum nagt, diesen und suche das Weite.
Zweihundert Höhenmeter weiter unten finde ich einen neuen Platz, bis hierhin kommen die Kühe nicht. Nachdem ich die Situation verdaut habe, richte ich mich erneut ein und lege mich kurz nach Sonnenuntergang schlafen.
Ich erwache am nächsten Morgen entspannt kurz vor dem Sonnenaufgang. Besuch durch Kühe hatte ich diese Nacht keinen und mein Schlaf war erholsamer, als gestern noch erwartet.

Während dem Frühstück orientiere ich mich, was denn heute auf dem Plan steht. Mich erwarten fünfundzwanzig Kilometer sowie tausend achthundert Meter Abstieg und sechshundert Aufstieg. Ziel ist der Campingplatz in Visp. Dort will ich wieder einmal Kleider waschen. Doch zuerst geht’s hoch nach Belalp übers “Steigle”. Das ist ein Treibweg, der früher von Schäfer und Bauern genutzt wurde, um ihr Vieh auf die Alpen zu treiben.
Die wilde Pflasterung, die dabei an vielen Orten wie beispielsweise an alten Säumer- oder alpinen Pfaden vorhanden ist, wird hier im Wallis “Bicki” genannt. Sie dient der Befestigung viel begangener Wegen und soll davor bewahren, dass der Weg talwärts weggeschwemmt wird.

Oben in Belalp geht's gemächlich bergab nach Mund. Vorbei an den ersten Suonen bis zu den typischen Kornstadel oder auf gut Walliserdeutsch “Chooruspichär”. Dies sind alte Kornspeicher, welche nicht direkt auf dem Boden stehen und so vor Feuchtigkeit und Nagetieren schützen. Besonders hervorstechend sind dabei die Mäuseplatten "Plaana", die für die Nagetiere ein unüberwindbares Hindernis darstellen.

Im kleinen Dorf Mund erfahre ich, dass dieses bekannt für seinen Safran sei und sogar das erste Schweizer Gewürz mit geschützter Ursprungsbezeichnung ist. Munder Safran ist also gleich geschützt wie auch Bündnerfleisch.
Etwa zwei Stunden vor Visp kreuze ich die Lötschberg-Südrampe der Bahn und laufe an den ersten Rebbergen vorbei.

Rhonetal
In der Mitte des Nachmittags treffe ich in Visp ein, gehe kurz einkaufen und richte mich auf dem Campingplatz ein. Ich wasche meine Kleider, hänge sie zum Trocknen an eine selbstgebaute Wäscheleine, geniesse den Nachmittag und schreibe an meinem Blog. Es weht ein warmer Wind und so ist meine Kleidung schon nach nur dreissig Minuten trocken.

Am Abend koche ich mir etwas und gehe kurz vor neun Uhr abends schlafen.
Die Nacht war laut und hell, doch geschlafen habe ich dennoch gut. Ich ziehe meine frisch gewaschenen Kleider an und beginne zu frühstücken. Dabei bemerke ich, wie meine Kleidung ungewohnt parfümiert nach Waschmittel riecht.
Kurz nach halb neun starte ich in Richtung Südhang des Rhonetals. Heute wird mich der Weg weiter entlang der Lötschberg-Südrampe führen. Immer entlang der Eisenbahnlinie. Auf dem Weg zur Südrampe begegne ich wieder den typischen Walliser Schwarznasenschafen und den Suonen. Diese Suonen dienen auch heute noch grösstenteils der Bewässerung der Walliser Obstkulturen und Rebberge. Übrigens: Auf der Schweizer 100er-Banknote ist eine solche auch abgebildet.

Weiter oben stosse ich dann wieder auf die Eisenbahnlinie. Diese Linie ist die alte Verbindung vom Wallis ins Berner Oberland und wird heute teilweise noch befahren. Doch der Hauptverkehr geht durch den neugebauten Lötschberg-Basistunnel. Dazu erfahre ich unterwegs, dass für die Tunnelausfahrt des Basistunnels ein Teil einer Rebberge im Weg stand. Für den damaligen Besitzer war klar, entweder kauft die BLS den ganzen Rebberg oder nichts. So kam es, wie es musste und die BLS kaufte den ganzen Rebberg “Steitoli” mit fünfhundertdreissig Quadratmeter der heute von einem Hobbywinzer betreut wird.
Entlang des Bahntrasses erfahre ich viele weitere spannende Details zur Bahnlinie und so bleibe ich immer mal wieder stehen und lese Infotafeln. Meine Wanderung gleicht heute eher einer Reise in die Vergangenheit der Lötschberg-Bahn anstatt einer Bergwanderung, doch auch dies ist die Via-Alpina.

Etwas später verlasse ich die Südrampe und steige ab zum Walliser Sonnenweg. Dieser führt mich wieder über eine kurze Hängebrücke hinab zum “Jolibach”. Bereits auf der Hängebrücke erblicke ich unten in der kleinen Schlucht meinen Weg hinab in die Schlucht. Doch irgendwie macht es von hier oben den Anschein, dass dieser dort nicht weiter geht.
Gespannt steige ich die eisernen Stufen hinab und stehe bald vor einigen weiteren Stufen, die mich direkt in eine stockfinstere Höhle hineinführen. Schon mit den Gedanken dabei, meine Stirnlampe auszupacken, entdecke ich einen beleuchteten Lichtschalter an der Wand, der durch Drücken den Weg durch die Höhle beleuchtet.
Ein Wanderweg, der über einen Holzsteg durch eine Höhle führt, wo unten Wasser durchfliesst und durch Drücken eines Lichtschalters selber beleuchtet werden muss, hatte ich dann doch noch nie! 🙃

Weiter vorne geht's wieder an die frische Luft. Dort finde ich dann auch heraus, warum der eine Teil des Jolibachs hier durch den Felsen fliesst. Das Wasser wird dem Bach entnommen und speist eine Suone. Ich steige weiter ab, verlasse die Suone und komme am späteren Nachmittag in Gampel auf dem Campingplatz an.

Nach dem Aufbau meines Zeltes treffe ich Schosi, den Platzwart. Ein sympathischer, älterer Herr mit weissem Bart, Brille und farbig-gestrickter Wollmütze. Wir kommen ins Gespräch und ich finde heraus, dass hier früher ein riesiger Campingplatz war. Er erzählt mir, wie es zur Schliessung dieses Campings kam. Nun ist dieser nur noch ein Stellplatz und er der Platzwart. Wir plaudern eine ganze Weile weiter und er erzählt mir im authentischen Walliser-Dialekt, vieles über die Berge, das Wallis, die Via-Alpina und dass er diese auch mal wandern möchte. Zwischendurch muss ich bei einigen Wörtern doch noch nachhaken, was er genau meint, denn nicht alle Walliser-Wörter sind mir geläufig. Kurz bevor es zu regnen beginnt, verabschieden wir uns und er zieht weiter.
Den ganzen Abend regnet es und so verbringe ich den Rest im Zelt, koche mir später unter einem Baum mein Abendessen, schreibe Blog und gehe früh schlafen.
Durchs Dalatal bis auf den Gemmipass
Nach einer verregneten Nacht und einem gemütlichen Frühstück ziehe ich um acht Uhr los in den alten Dorfkern von Gampel. Bevor ich dort aufsteige, treffe ich unterwegs per Zufall nochmals Schosi. Er erkundigt sich, wohin's heute geht und ich sage ihm “via Bratsch nach Guttet und dann über Albinen hoch nach Leukerbad.” Daraufhin meint er, dass dies die schönste Route sei. Wir verabschieden uns und ich verlasse das Rhonetal bergauf.

Wolkenverhangen wandere ich immer weiter nach hinten ins Dalatal hoch nach Leukerbad. Insgesamt eher unspektakuläre Wege. Doch wie so oft wird es gegen Ende hin spannend. Vor mir stehen Warnhinweise “Nur für Schwindelfreie”. Gespannt, was denn da kommt, treffe ich auf steile Abhänge und rutschige Holzleitern. Mit Freude taste ich mich die letzten Meter nach Leukerbad hinunter und treffe zufrieden am späteren Nachmittag in Leukerbad ein.

Wie bereits gestern, werde ich heute auch wieder auf einem Campingplatz übernachten. Denn hier unten, auf knapp tausend vierhundert Meter über Meer, wird es in der Nacht zehn Grad. Weiter oben soll es sogar Schneeregen geben. Deshalb bleibe ich diese Nacht lieber hier unten in der “Wärme”.
Ich kaufe ein, baue mein Zelt auf und lasse den Abend gemütlich ausklingen. Nach Sonnenuntergang erblicke ich im Hintergrund den morgigen Gemmiweg, der mit einzelnen Lichtern den Weg hoch auf den Gemmipass aufzeigt. Kurz darauf lege ich mich hin und schlafe schnell ein.

Der nächste Morgen startet früh. Denn heute wandere ich auf den Gemmipass und die Engstligenalp nach Adelboden. Knappe dreiundreissig Kilometer und tausend achthundert Höhenmeter rauf und wieder runter. So klingelt kurz nach halb sechs mein Wecker. Ich ziehe mich um, packe und frühstücke. Kurz nach sieben wandere ich los in Richtung Gemmiwand.

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Ja, dieser Gemmiweg, den will ich schon seit Jahren hochwandern. Der Weg führt von Leukerbad mit neunhundertsiebzig Höhenmeter und rund viereinhalb Kilometer Länge durch die Gemmiwand hoch auf den Gemmipass.
Der Weg besteht seit dem vierzehnten Jahrhundert und kann von Juli bis Oktober als “Gemmirunning” begangen werden. Heisst: Wenn Frau es unter fünfundsechzig Minuten und Mann unter sechzig Minuten hoch schafft, hat eine Gratis-Talfahrt sowie ein gratis Eintritt am selben Tag in die Leukerbad-Therme zugute. Ich kann mir gut vorstellen, dies nächstes Jahr zu machen. Wer Lust hat und sich fit fühlt, darf sich gerne bei mir melden, dann organisiere ich einen passenden Tag. 🙂
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Der Weg bergauf ist eine Serpentine, wobei die unzähligen Kehren fast alle eigene Namen haben. Eigentlich setze ich mir beim Wandern nie ein Leistungsziel, doch dieses Mal möchte ich wissen, wie viel Zeit ich mit meinem Gepäck für den Aufstieg benötige.
Nach knappen tausend Höhenmetern, unzähligen Kehren und achtzig Minuten später komme ich oben an. Ich geniesse die Aussicht und denke mir, dass dies ohne Gepäck in unter einer Stunde gut machbar sein sollte.

Oben auf der Gemmi weht ein kühler Wind, schnell ziehe ich mir meine Jacke über und steige hinter dem Gemmipass zum Daubensee ab. Trotz des touristisch gut erschlossenen Gemmipasses, bin ich alleine unterwegs. Ich laufe entlang dem See bis ans andere Ende, von wo ich wieder aufsteige und den Daubensee in westlicher Richtung verlasse.

Berner Oberland
In einer alten Gletschermoräne lege ich einen kurzen Rast ein, geniesse die wenigen Sonnenstrahlen, snacke etwas und ziehe bald darauf zum “Chindbettipass” weiter. Von diesem Pass hier führt mich der Weg nun nur noch tausend vierhundert Höhenmeter talwärts über die Engstligenalp hinab nach Adelboden. Vorbei an den Engstligenfällen steige ich ab und treffe kurz nach vier Uhr nachmittags in Adelboden ein.

Ich besorge mir eine neue Gaskartusche. Diesmal eine Grosse, die so bis nach Monaco ausreichen sollte, kaufe Kleinigkeiten ein und laufe zum Campingplatz, der etwas weiter unten von Adelboden liegt.
Heute, morgen und übermorgen habe ich Besuch. Darauf freue ich mich dieses Wochenende besonders. Als erstes besuchen mich heute meine Schwiegermutter Priska und ihr Partner Hugo. Sie schlafen auf demselben Camping wie ich und haben ihr Zelt, als ich eintreffe, bereits aufgeschlagen. Ich schlage mein Nachtlager auf und richte mich ein. Später gehen wir zusammen essen und lassen den Abend gemütlich ausklingen.
Am nächsten Morgen gehen wir auswärts frühstücken, packen später alles zusammen und machen uns auf den Weg ins Dorf. Sie mit dem Auto und ich wie immer zu Fuss. Nächster Treffpunkt: ein Café im Dorf, wo meine Eltern Beatrice und Ewald sowie Evi und Otto, gute Freunde meiner Eltern, auf uns warten.
Kurz nach zehn Uhr wandern wir zu siebt los. Unser heutiges Tagesziel, Lenk. Priska und Hugo entschliessen sich, die ersten neunzig Minuten auch mitzuwandern, um dann bei der Station "Bergläger" den Bus zurück nach Adelboden zu nehmen.

Nach einer gemütlichen Pause geht's weiter. Priska und Hugo haben sich verabschiedet und so machen wir uns noch zu fünft auf den Weg zum Hahnenmoospass. Wir kommen gut voran und legen unterhalb des Passes nochmals eine Pause ein, wo sich mein Vater und Evi ausklinken und die Bahn hoch nehmen. Wir steigen zu dritt noch die verbleibenden zweihundert Höhenmeter auf und treffen oben wieder auf Evi und meinen Vater.

Dort legen wir einen Rast auf der Sonnenterrasse des hiesigen Restaurants ein, plaudern, geniessen die Sonne und die Aussicht. Nach einer stärkenden Pause führt uns der Weg nun nur noch bergab nach Lenk. Wir nehmen es gemütlich und dreihundert Höhenmeter weiter unten entscheiden sich Evi und mein Vater, auf den Bus bis nach Lenk umzusteigen. Meine Mutter und Otto steigen mit mir die verbleibenden sechshundert Höhenmeter weiter ab.

Unten in Lenk gönnen wir uns einen wohlverdienten Apéro und ziehen bald darauf zum Hotel weiter, checken ein und gehen später in einem nahegelegenen Restaurant essen. Wir haben Glück und erhaschen den letzten freien Platz im Restaurant. So lassen wir den Abend mit gutem Essen und in gemütlicher Runde ausklingen.
Nach einer ruhigen Nacht treffen wir uns beim Frühstück, plaudern über die seltsamen Annehmlichkeiten in diesem Hotel und checken bald darauf aus. Meine Wanderbegleitung wird heute nach Hause reisen, doch werden sie vorher noch die Simmenfälle besuchen. So trennen sich unsere Wege bereits wieder. Ich bedanke mich für den gestrigen Tag, verabschiede mich von ihnen und ziehe kurz nach halb zehn Uhr morgens wieder alleine weiter.

Heute Sonntag, führen mich die Wege via Trütlisbergpass nach Lauenen und dann weiter nach "Gsteig", wo mich Doris für eine Nacht besuchen wird.
Das Wetter ist auch heute auf meiner Seite und spielt mit. So geht's leichtfüssig knappe tausend Meter den Berg hoch und auf der anderen Seite wieder hinunter. Nach rund dreieinhalb Stunden bin ich bereits in Lauenen.

Nach weiteren zwei Stunden treffe ich in Gsteig bei Gstaad ein, wo Doris bereits auf mich wartet. Zusammen geniessen wir den Nachmittag und Abend. Wir haben gemischte Gefühle, denn es ist unser letztes Treffen bis zum Ende meiner Via-Alpina. Nächstes Mal sehen wir uns erst in fünf Wochen in Monaco wieder. So vergeht die Zeit zusammen wie immer sehr schnell und wir gehen zeitig ins Bett.
Nachklang
Das Zelten auf einer Viehweide, wie diese Woche auf der Kuhweide, will ich grundsätzlich vermeiden. Doch eigentlich wusste ich schon im Vorhinein, dass ich mein Nachtlager auf einer aktiven Weide aufschlage. Denn die Anzeichen waren klar: überall abgefressenes Gras, relativ frische Kuhfladen und keine Zäunung seit der letzten Viehtränke. Doch ich dachte, ich sei genug weit weg von den Kühen und die kämen dann schon nicht zu mir rüber. Weit gefehlt! Wieder einmal mehr ein Zeichen, dass ich offensichtliche Tatsachen nicht ignorieren darf.
Der Besuch durch Familie und Freunde war wieder sehr bereichernd und bringt Abwechslung in meinen normalen Wanderalltag. Bereits das zweite Mal hatte ich Wanderbegleitung aus meinem Umfeld dabei. Wie es der Zufall wollte, passte alles so, dass die gewanderte Etappe genau auf ein Wochenende fiel und sie in einer Region war, wo es auch Bergbahnen und Busse gab. Perfekt für die Bedürfnisse meiner Begleiter:innen. Zu allem hinzu spielte das Wetter auch noch mit. Einfach rundum passend! “The Trail provide.”
Wie du es vielleicht bemerkt hast, bin ich aktuell rund zwei Wochen mit dem Schreiben im Rückstand. Keine Sorge! Mir geht’s blendend und die Berichte werden noch folgen.
PS: Um keine Verwirrung zu stiften: Die Grüsse am Schluss meiner Berichte haben nicht direkt etwas mit dem Bericht selbst zu tun, sondern geben dir Aufschluss über meinen aktuellen Standort.
Nächste Woche verläuft mein Weg wieder zurück ins Wallis, diesmal in den französischen Teil nach Martigny. Gegen Ende der Woche werde ich dann am Ende der Schweiz, auf dem grossen Sankt Bernhard, eintreffen.
Bis dahin, strahlend sonnige Grüsse von meinem Ruhetag in Tignes auf zweitausend einhundert Meter über Meer ✌🏼
Sascha
