
Via-Alpina Woche 13
Quer durchs Tessin bis ins Oberwallis
📏177km, ↗ 8’720m, ↘ 6’680m, 🗓️11.08. - 17.08.
Tessin
Kurz nach halb sechs klingelt mein Wecker. Ja, ich musste mir tatsächlich einen stellen, denn heute will ich unbedingt frühzeitig los, um der Hitze so gut es geht zu entfliehen.
Kurz nach halb sieben erscheine ich als erster Gast beim Frühstück und esse wieder sehr ausgiebig. Danach checke ich aus und verlasse motiviert Biasca in Richtung Leventina Tal.

Eine Stunde später führt der Weg hinein ins Seitental Val d'Ambra. Mich erwarten zwanzig Kilometer und tausend achthundert Höhenmeter Anstieg bis auf den Pass hinauf. Es ist kurz vor neun und drückend heiss! Wind? Fehlanzeige! Und so schwitze ich schon nach zwanzig Minuten, obschon ich mich vorwiegend im Schatten bewege.

Ich muss viel trinken, um meinen Wasserverlust durchs Schwitzen auszugleichen. Doch zum Glück gibt’s in diesem Tal etliche Bäche, wo ich meine Reserven immer wieder auffüllen kann. Durch den Aufstieg merke ich, wie die Luft gegen oben hin stetig leicht kühler wird. Bergauf treffe ich immer wieder auf sehr einladende Badestellen. “Doch bei jeder kann ich auch nicht baden, sonst werde ich nie oben ankommen”, denke ich mir und kann mich an dieser wunderbaren Landschaft fast nicht satt sehen.

Kurz nach zwölf Uhr lege ich einen Rast mit einer Badepause ein. Ich ziehe meine Schuhe und Socken aus und taste mich mit kurzen Hosen vorsichtig ins Wasser. Doch wie vermutet, ist es so kalt, dass mir nicht zum Baden zumute ist. So kühle ich halt nur meine Füsse im eiskalten Bachwasser und esse zu Mittag.
Nach meiner Mittagspause steige ich weiter auf und komme leider bald aus dem schattenspendenden Wald heraus. Die Sonne brennt unermüdlich weiter und lässt mich nur langsam vorankommen. Hier oben hat der Bach sogar eine Art Rutsche in den Stein geformt. Ich mache einen letzten Halt im Halbschatten, kühle mich im Bach herunter und fülle meine Wasserreserven auf, bevor ich die letzten achthundert Höhenmeter ohne Schatten in Angriff nehme.

Zu meinem Glück muss ich nicht den ganzen Aufstieg in der prallen Sonne wandern, denn die Wolken meinen es gut mit mir und ziehen ab und an vor die Sonne und spenden mir kurz Schatten. Um mich in diesem kurzen und wertvollen Moment maximal zu kühlen, bleibe ich jeweils stehen, drehe mich um, mit Blick Richtung Tal, und lasse den feinen Wind den Rest erledigen. Das klappt im Normalfall bei Hochdruckwetter sehr gut. Zudem kann ich mir so auch gleich noch stehend einige Minuten eine Pause gönnen.
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Bei Hochdruckwetter weht der Wind im Gebirge im Normalfall am Mittag/Nachmittag das Tal hinauf und in der Nacht und morgens ins Tal hinab. So habe ich leider beim Aufstieg ab Mittag den feinen Wind immer im Rücken und muss mich umdrehen, um ihn zu spüren und mich zu kühlen. Dafür bei einem Abstieg am Morgen im Rücken, wobei er mich so nicht auskühlt.
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Am späteren Nachmittag treffe ich oben auf dem Pass ein und geniesse zuerst einmal den feinen Wind, der von der anderen Seite hochströmt und mich abkühlt. Ich blicke hinunter und entscheide mich weiter unten einen Platz für mein Nachtlager zu suchen, denn dort soll auch ein See sein, in dem ich eventuell noch ein abendliches Bad nehmen kann.

Los geht's, rund vierhundert Höhenmeter tiefer zum See. Unten am See suche ich mir einen Platz, baue mein Zelt auf und richte mich ein. Währenddessen schreibt mir Verena, wo ich diese Nacht schlafen werde. Denn eigentlich wollten Verena, Constantin und ich uns gestern in Biasca abends noch kurz auf einen Schwatz und was zu trinken treffen, doch dies passte irgendwie bei beiden nicht mehr rein.

Ich schreibe ihr, wo ich mein Nachtlager aufgeschlagen habe und koche mir mein Abendessen. Kurz darauf treffen sie auch schon ein, wir plaudern und die beiden gehen im See baden. Sie rufen mir zu “Sascha, kommst du auch rein?” Ich bin etwas zurückhaltend, da heute die Bäche so kalt waren und entscheide mich, nach einem kurzen Temperaturcheck, doch dafür. Die Erfrischung tut richtig gut und ich wäre wohl ohne die beiden nicht baden gegangen.
Später suchen sie sich einen Platz für ihr Zelt. Gar nicht so einfach, denn überall gibt es Büsche. Kurz habe ich ein schlechtes Gewissen, da ich einen einigermassen guten Platz erwischt habe, doch für zwei Zelte hätte es da sowieso auch keinen Platz gehabt. Nach kurzem suchen, finden sie dann auch einen, kochen ihr Abendessen und zusammen beobachten wir den Sonnenuntergang.

Der nächste Morgen startet feucht. Mein Zelt ist innen und aussen feucht. Die Nacht war windstill und kalt. Zudem liegt der See in einer leichten Mulde, genau so, dass sich die kühle und feuchte Luft sammelt und nicht weiter ins Tal wegströmt. Wie blöd, dass ich das gestern nicht bemerkt habe, als ich zum See abstieg.
Ich frühstücke und plaudere mit Verena und Constantin. Wir machen für heute Abend wieder ab und so wandere ich alleine los und steige ab nach Frasco.
Es geht durch Wald, vorbei an diversen potentiellen Badestellen und immer bergab ins Verzasca-Tal. Die Temperatur ist heute Vormittag wieder perfekt zum Wandern, leider steht mein Anstieg erst am Nachmittag an, also dann, wenn es wieder brütend heiss wird. Doch lasse ich dies ein Problem sein, von meinem zukünftigen Ich, heute Nachmittag. 😉

Unten im Tal überquere ich den Fluss Verzasca und wandere einen Teil flussaufwärts nach Sonogno. Ich steuere auf die Kirche zu, suche mir eine Steckdose und lade mein Handy. Währenddessen es lädt, esse ich draussen im kühlen Schatten der Kirche mein Mittagessen.

Nachdem mein Handy geladen ist und ich satt bin, werfe ich einige Münzen in den Opferstock und ziehe weiter. Der Weg führt mich vom Verzasca-Tal weg ins Seitental Val Redorta mit dem gleichnamigen Fluss, tausend dreihundert Höhenmeter hinauf zum Pass. Dort oben suche ich mir dann wieder einen Platz für mein Nachtlager.
Die Sonne brennt und schon nach kurzer Zeit schwitze ich wieder. Ich wandere durch typische kleine Tessiner Dörfer immer bergwärts und fülle unterwegs bei Bächen immer mal wieder meinen Wasservorrat auf.

Rund vierhundert Höhenmeter unterhalb des Passes schaue ich hoch und wünschte ich wäre schon oben. Ich steige weiter auf und spüre die Anstrengung. Knapp hundert Höhenmeter vor dem Pass raste ich kurz und nutze den Schatten für ein Selfie. Der letzte Teil fühlt sich gegen diese Uhrzeit aufgrund der Hitze und Anstrengung immer wie eine Ewigkeit an. Ich kämpfe mich hoch und prüfe gefühlt alle zehn Meter Aufstieg, wie viele Höhenmeter es noch bis oben sind. Doch meistens fühlt es sich nur lange an, dauert jedoch keine zehn Minuten. Denn schon bin ich oben und darf die Weitsicht ins Tal hinab geniessen!

Nach einem Rast steige ich ab und entdecke hundert Höhenmeter tiefer, neben einem Geröllfeld eine teilweise ebene Alpwiese. Ich schreibe den anderen beiden, wo ich bin, stelle mein Nachtlager auf und koche mir mein Abendessen.

Etwas später sehe ich Verena und Constantin vom Pass absteigen und beobachte sie. Wie es scheint, bemerken sie mich nicht und so rufe ich ihnen zu, als sie etwa auf gleicher Höhe sind. Constantin ruft, “gibts da Wasser”, ich bejahe und meine “fünf Minuten von hier”. Sie machen sich auf den Weg zu mir und sind froh, nicht noch weiter abzusteigen.
Als erstes gehen wir zusammen Wasser holen und notdürftig waschen. Mit Baden wie gestern ist heute nichts, denn der Bach, den ich vorab entdeckt habe, führt nicht so viel Wasser. So laufen wir auf einem etwas abenteuerlichen Weg zum Bach, waschen uns, füllen unsere Wasserreserven auf und gehen zu unserem Nachtlager zurück. Sie bauen ihr Zelt auf und müssen dabei den Boden mit Steinen ausgleichen, denn es gibt nicht wirklich ganz eben Flächen. Auch mein Zelt steht etwas schief, doch für eine Person klappt das gerade noch so, doch bei einem Zweier Zelt rutscht der eine immer zum anderen rüber und das macht die Nacht ungemütlich.
Ich geniesse den Sonnenuntergang, Constantin kocht und Verena nivelliert das Zelt aus. Denn bei Ihnen gibt es klare Rollenverteilung. 🙃 Verena sucht da jeweils einen geeigneten Platz fürs Zelt und baut dieses auf, währenddessen kocht Constantin das Abendessen. Das hat natürlich zwei Vorteile, zusammen geht das alles schneller und es wird zur Routine.
Später ziehen wir uns in unsere Zelte zurück und wünschen uns eine gute Nacht.

Kurz vor Sonnenaufgang werde ich wach und starte mit meiner morgendlichen Routine. Kleider wechseln, alle Zip-Beutel packen und ordentlich frühstücken. Danach Zelt zusammenpacken und alles säuberlich in meinen Rucksack verstauen.
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Es gibt drei Hauptthemen, die mich jeden Tag beschäftigen. Das Laufen, Essen und Schlafen. Andere Themen finden schon auch verteilt am Tag Platz, doch bekommen sie nie so viel Aufmerksamkeit wie diese drei.
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Ich plaudere mit meinen beiden Wanderbuddies und ziehe wieder vor ihnen los. Heute führt mich der Weg hinunter nach Prato Sornico und dann entlang der Maggia hinab nach Bignasco. Von dort dann noch ein Stück ins Seitental in Richtung Fontana.
Beim Abstieg entdecke ich kleine, verlassene Dörfer, wunderbare Badestellen und idyllische Wege durch bewohnte Dörfer. Nach rund drei Stunden Abstieg treffe ich in Prato Sornico ein.

Ich suche mir ein schattiges Plätzchen im Dorf, um etwas zu essen und finde vor der Kirche ein Passendes. “Wie praktisch”, sage ich leise zu mir, denn da kann ich gleich wieder mein Handy laden. Eigentlich habe ich ja auch eine Powerbank dabei, doch wenn's gerade passt mit Pause und Handy laden, warum nicht. Die Powerbank kann ich nutzen, wenn ich keine Lademöglichkeit habe.
Später treffen meine Wanderbuddies Verena und Constantin ein. Constantin meint scherzhaft: "Machen wir jetzt eine Pilgerreise zu jeder Kirche?”, da lachen wir herzhaft. Sie deponieren ihre Rucksäcke, gehen kurz etwas einkaufen fürs Mittagessen und machen es sich bei mir im Schatten gemütlich. Nach einer langen Mittagspause verabreden wir uns für später wieder und ich ziehe vorerst alleine los.
Zuerst geht’s durch Wälder auf und ab, bis ich schliesslich zur Maggia absteige und nach bereits neunzig Minuten wandern eine perfekte Badestelle finde und mich dort ins kühle Nass wage. Es ist herrlich! Ich geniesse den Moment ausgiebig und gehe gleich mehrmals baden.

Kurz bevor ich zusammenpacken will, sehe ich von Weitem Verena und Constantin zur Maggia absteigen. Ich winke ihnen zu und sie gehen, voller Freude auf die Abkühlung, auch gleich baden. Nach ordentlicher Abkühlung ziehen wir gemeinsam weiter und machen uns auf die Suche nach einem geeigneten Nachtlager.
Drei Stunden später finden wir einen Platz am Fluss und richten uns ein. Sie auf einer etwas erhöhten Sandbank und ich auf einem Stein. Eigentlich für mein Zelt sehr unpassend, denn ich habe kein Freistehendes. Doch ich will es versuchen mit Steinen statt mit Heringen. Constantin unterstützt mich und schon bald steht mein Zelt ohne Heringe. Ich bin stolz, dass es auch ohne Heringe steht und geniesse den Abend mit ihnen.

Der nächste Morgen startet bei mir kurz vor sieben Uhr. Ich packe, esse und plaudere später beim Frühstück mit den beiden. Um acht ziehe ich dann wieder alleine los, flussaufwärts nach Fontana. Ich bin gespannt, was mich dort erwartet, denn letztes Jahr kam da eine gewaltige Schlamm- und Gerölllawine den Berg herunter und riss mehrere Häuser mit.
Als ich durch den Weiler Mondada laufe, macht sich das Ausmass bereits sichtbar. Weiter oben laufe ich dann über eine neu asphaltiere Strasse, wo rechts und links nichts als Geröll liegt. Ein Fels ist sogar haushoch. Beeindruckt, was für eine Gewalt da gewirkt hat, laufe ich ehrfürchtig weiter und zweige ins Dorf ab.

Ich steige auf, wandere über alte Säumerpfade, vorbei an historischen Ziegenställen und gönne mir circa drei Kilometer vor San Carlo wieder eine Abkühlung im Fluss. Denn auch heute ist es wieder, wie die letzten Tage, sehr heiss.

Bald darauf treffen Verena und Constantin ein und wir wandern zusammen weiter. Später gönnen wir uns bei einem Fluss nochmals eine Pause. Diesmal eine Längere, um im Schatten der Mittagssonne etwas zu entfliehen. Wir baden, essen und plaudern. Aktuelles Thema: Wo schlafen wir heute Abend? Heute keine einfach zu beantwortende Frage, denn Wildcampen auf dem Berg ist keine Option, da teils starke Gewitter angekündigt sind. Nach längerem hin und her entscheiden wir uns für die Berghütte, etwa hundert Höhenmeter unterhalb von Robiei. Ich rufe dort an, reserviere uns einen Platz und melde unser Eintreffen auf circa fünf Uhr an.
Los geht's weiter ins Tal hinein und den Berg hoch. Rund dreihundert Höhenmeter unterhalb unseres Ziels ziehen stark dunkle Wolken auf und es beginnt leicht zu regnen. Die Regenfälle waren eigentlich erst in zwei Stunden angekündigt, nämlich dann, wenn wir auf der Hütte wären. So steigen wir bei leichtem Regen zügig weiter an. Knapp hundert Höhenmeter weiter oben fängt es auch noch an zu gewittern. Etwas verunsichert suchen wir uns einen Platz zum Unterstellen, um das Gewitter abzuwarten. Dazu steigen wir etwas ab und finden ein Plätzchen unter einem riesigen Felsen und können dort im Trockenen das Gewitter aussitzen. Kurz darauf öffnet der Himmel seine Schleusen und es regnet Bindfäden, donnert und blitzt. Die Soundkulisse hier hinten im Tal ist eindrücklich und bietet uns Unterhaltung während des Gewitters. Währenddessen rufe ich nochmals bei der Hütte an, um unsere Verspätung zu melden.

Fünfundvierzig Minuten später hat der Regen nachgelassen und das Gewitter sich etwas verzogen. Wir wagen einen Versuch und steigen sehr, sehr zügig noch die verbleibenden zweihundert Höhenmeter zur Hütte auf und können dort auch gleich unsere Betten beziehen. Später beim Abendessen werden wir mit leckeren Speisen verwöhnt und können den Abend gemütlich im Trockenen ausklingen lassen.

Nach dem Frühstück starte ich mit Navigations-Schwierigkeiten in den Tag, denn heute scheint irgendwie meine GPS-Uhr keine Lust zu haben. So starten Verena und Constantin vor mir und ich stehe vor der Hütte und bin mit der Technik beschäftigt. Nach etlichen Versuchen und einem Neustart klappt es dann noch und ich kann auch starten.
Der Weg führt mich heute auf die “Bocchetta di Val Maggia” kurz nach Italien zurück. Dann wieder in die Schweiz, ins “Val Bedretto" und dann ins Wallis nach Ulrichen hinab. Ich starte und kurze Zeit später hole ich die beiden ein und steige weiter auf.

Der Weg steigt an, führt mich über Geröllfelder und rund tausend zweihundert Höhenmeter hoch zur Bocchetta und der Landesgrenze nach Italien. Oben, an der Grenze, lege ich einen ersten Rast ein, geniesse die Ruhe und snacke etwas.

So wie es bergauf ging, geht's nun wieder über ein riesiges Geröllfeld bergab. Weiter unten wandere ich über sanfte Hügel wieder der Schweiz entgegen, Richtung Nufenenpass. Nicht einmal neunzig Minuten später bin ich bereits wieder in der Schweiz. Rechts von mir erblicke ich in der weiten Ferne den Gotthardpass und links den Nufenenpass.

Mein Weg führt mich nicht direkt auf den Nufenenpass, sondern links am Nufenenstock vorbei auf den Griespass. Rund dreihundert Höhenmeter weiter oben habe ich eine wunderbare Weitsicht auf den Griessee und den zugehörigen Gletscher. Ich überquere die Grenze ins Wallis, lege eine Pause ein und esse etwas.

Oberwallis
Hinab nach Ulrichen führt mich der Weg vorbei an einem Windpark und zur asphaltierten Nufenenpassstrasse. Nach einer kurzen Pause wandere ich weiter über alte Pfade und treffe kurz vor halb sechs auf dem Campingplatz ein. Ich frage nach einem freien Platz, baue mein Zelt auf und koche mein Nachtessen.

Während meinem Nachtessen empfange ich eine Nachricht von Verena. Sie fragt bei mir nach, wie lange denn die Rezeption geöffnet hat. Ich erkundige mich und schreibe ihr zurück, dass bis neun Uhr abends jemand hier sei. Denn sie haben auch geplant hier zu übernachten, doch wissen noch nicht genau ob eine oder zwei Nächte. Als ich von der Dusche zurückkomme, entdecke ich die beiden direkt neben mir, wie sie ihr Zelt aufbauen. Wir quatschen den ganzen Abend und gehen früh schlafen.
Am nächsten Morgen entscheide ich mich spontan, meinen Ruhetag auf dem Camping zu verbringen. Auf die Idee haben mich Verena und Constantin gebracht, denn sie tun dies heute auch. Ein Ruhetag auf einem Camping ist nicht ganz so komfortabel wie in einem Hotel, doch um Welten günstiger. Und das Wetter spielt ja aktuell auch super mit.
So verbringen wir den Tag sitzend und liegend irgendwo im Schatten, gehen einkaufen, plaudern, dösen und geniessen einfach den Tag. Der Tag vergeht schnell und irgendwann besprechen wir zusammen die Pläne für nächste Woche. Sie bekommen Besuch, der mit ihnen einen Teil mitwandert. Ich plane die nächste Woche so, dass ich bestimmen kann, wo ich am kommenden Wochenende bin. Denn dort bekomme ich auch Besuch, der mit mir mitwandert. So werden sich morgen Sonntag nun unsere Wege trennen. Wir ziehen uns in unsere Zelte zurück, denn gegen neun Uhr rollt ein heftiges Gewitter mit heftigem Wind und Regen über uns hinweg.
Kurz vor neun Uhr abends drückt der Wind ans Zelt. Der Regen prasselt lautstark nieder, die Blitze erhellen den Himmel und der Donner grollt. Doch das Zelt hält all dem problemlos stand. “Zum Glück habe ich es sauber abgespannt”, denke ich mir und höre draussen Constantin rufend fragen, ob bei mir alles trocken geblieben sei. “Klar” antworte ich und frage nach wie es bei ihnen aussieht. Denn wir haben beide ein Zelt vom selben Hersteller und sind damit sehr zufrieden. Irgendwann lässt der Regen nach und ich schlafe ein.
Der heutige Sonntagmorgen startet früh. Mich erwarten fünfunddreissig Kilometer mit knapp tausend siebenhundert Meter Aufstieg. So starte ich leider etwas verspätet, kurz vor halb acht, ins nebelverhangene Oberwallis.

Los geht's durchs obere Rhonetal, leicht bergab, bis ich schliesslich in Niederwald in Richtung Bellwald aufsteige. Es ist Mittag und die Sonne drückt mir mit ihrer ganzen Kraft den Schweiss auf die Stirn. Trotz Schatten ist es brütend heiss. Ich muss immer wieder Trinkpausen einlegen und Wasser bei den Bächen nachfüllen.

Nach einer ausgiebigen Mittagspause im Schatten und zwei Telefonaten später zweige ich ins Seitental in Richtung Fieschergletscher ab. Leicht bergab führt mich der Weg hinein ins UNESCO Weltnaturerbe Jungfrau-Aletsch. Das Tageshighlight erblicke ich kurze Zeit in der Ferne auch schon, die Aspi-Titter Hängebrücke. Auf hundertsechzig Meter Länge überspannt sie die darunterliegende “Wyswasserschlucht”. Voller Freude betrete ich die Hängebrücke und laufe bis zur Mitte. Da keine anderen Wanderer in Sichtweite sind, verweile ich ganze fünf Minuten in der Mitte der leicht schwingenden Brücke. Denn dort weht ein angenehmer kühler Wind.

Nach der Brücke muss ich noch rund sechshundert Höhenmeter bis zu meinem Tagesziel ansteigen. Steil bergauf und vorbei an gletschergeformten Felsen. Unterwegs bergauf erfahre ich: wo heute vereinzelt Bäume wachsen, war vor hundert Jahren noch der Gletscher. Leider ist von hier unten vom Fieschergletscher heutzutage nicht mehr viel zu sehen, denn er hat sich weit nach oben zurückgezogen.

Kurz nach fünf Uhr abends treffe ich in der Hütte ein, beziehe mein Bett und lerne beim Abendessen meine zwei Zimmergenossinnen aus Deutschland kennen. Wir plaudern über das Übliche und ich erfahre, dass die beiden Mutter und Tochter sind. Beide gehen seit vielen Jahren leidenschaftlich gerne in die Berge. Besonders beeindruckt bin ich von der Tochter, die in ihren jungen Jahren bereits über zwanzig Viertausender in der Schweiz bestiegen hat. Nach angenehmen Gesprächen gehe ich zufrieden ins Bett und freue mich auf den morgigen Tag. Denn nur zwanzig Minuten von hier liegt der atemberaubende Aletschgletscher. Doch dies ist eine andere Geschichte, die ich euch nächste Woche erzähle.
Nachklang
Der Ruhetag auf dem Camping war eine sehr gute Alternative zu einem Hotel. Ich kann mir gut vorstellen, dies zu wiederholen. Das Wetter spielte wunderbar mit und rundete den Pausentag perfekt ab. Ich denke, dass bei Schlechtwetter ein Ruhetag im Zelt für mich keine Lösung wäre. Obwohl ich bei jedem Wetter gerne draussen bin, möchte ich mir zumindest an einem verregneten Ruhetag den Luxus eines warmen und trockenen Ortes nicht vergönnen. 😉
Was für eine bereichernde Erfahrung, mit meinen beiden Wanderbuddies unterwegs zu sein. Er aus Deutschland -D, sie aus Österreich -A, und ich aus der Schweiz -CH. Zusammen waren wir die DACHse.
Es ist schon was ganz anderes mit Gesellschaft als alleine unterwegs zu sein. Jeder läuft sein Tempo und abends trifft man sich wieder, plaudert und verbringt Zeit zusammen. Auf den grossen amerikanischen Trails wie PCT oder AT ist dies teils auch so und verbindet die Wandernden untereinander stark. Ich kann nun nachvollziehen, wie sich dies anfühlen muss.
Nächste Woche besuche ich den Aletschgletscher und laufe nach Leukerbad, von wo ich dann das Oberwallis verlasse und einen mehrtägigen Abstecher ins Berner Oberland unternehme.
Bis dahin, herzliche Grüsse aus Martigny ✌🏼
Sascha
