
Via-Alpina Woche 11
Durch die Provinz Sondrio bis ins Tessin
📏148km, ↗7’310m, ↘7’240m, 🗓️28.07 - 03.08
Provinz Sondrio / Engadin
Es ist Montagmorgen, kurz nach sieben Uhr, und ich laufe vom Zimmer hungrig die Treppe hinunter, um zu frühstücken. Es ist auch bereits für mich eingedeckt und so freue ich mich auf ein reichhaltiges Frühstück. Doch leider werde ich enttäuscht. Es gibt zwar Frühstück, doch weder Brot noch Müsli oder Käse. Nur Zwieback, Butter, Konfitüre, Fruchtsaft und italienische Kekse. Bisher das enttäuschendste Frühstück, das ich auf meiner Reise angetroffen habe. Als Trost dafür gibt's super feinen Espresso. Doch dieser deckt leider meine Kalorienzufuhr auch nicht.
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Ich würde mich nicht als wählerischen oder komplizierten Esser beurteilen, doch ist mir das Frühstück auf meiner Tour, nebst dem Abendessen, ein wichtiger Energielieferant.
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So esse ich das, was da ist und frage mich, ob dies das normale Frühstück ist, denn für Weitwanderer ist es definitiv nicht geeignet.😉 Das Abendessen hingegen war üppig und deckte meinen Hunger gut ab.
So starte ich nach einem kurzen Frühstück in den Tag, packe meinen Rucksack und ziehe kurz vor halb neun Uhr los.

Der Weg steigt an und führt mich an kleinen Almen vorbei, hoch in Richtung eines Passes. Schon nach fünfhundert Höhenmetern Anstieg und knapp neunzig Minuten nach meinem Start meldet sich mein Magen. Die wenigen Kalorien vom Frühstück sind bereits verbrannt. So lege ich einen ersten Rast ein und snacke ausgiebig.

Gestärkt geht's zwanzig Minuten später weiter. Der Weg führt mich über kleine Geröllfelder und bei leichtem Wind hoch auf den “Passo di Volmera”.
Immer wieder begegne ich den Buchstaben S und I. Ich vermute, dass hier wieder ein Teil des “Sentiero Italia” durchgeht. Eine spätere kurze Internet-Recherche bestätigt mir dies. Dieser italienische Weitwanderweg ist ein ganz anderes Distanz-Kaliber als die Via-Alpina. Auf achttausend Kilometer durchwandert man vom tiefen Sizilien bis zu den Alpengipfeln im Norden ganz Italien. Sicher eine spannende, kulturelle und historische Reise durch den kompletten “Stiefel”.

Oben beim Pass ziehe ich ohne Pause direkt weiter und steige wieder ab. Beim Abstieg fülle ich noch rasch meine Wasserreserven auf und kann dann eine knappe Stunde später meinen Mittagsrast einlegen. Ich habe Glück und es bietet sich mir ein altes Biwak an, in dem ich mein Essen zubereiten kann. Denn draussen bläst eine unangenehme Bise und macht einen Rast ungemütlich.

Die Stärkung tut richtig gut und lässt mich motiviert weiterziehen. Nur eine Stunde später treffe ich bereits bei einem Rifugio ein. Kurz überlege ich mir, ob ich denn hier meinen Wandertag beenden soll, doch ich entscheide mich dagegen, denn es ist erst knapp zwei Uhr nachmittags und ich bin noch voller Energie. So nehme ich noch einen Teil der morgigen Etappe in Angriff und steige erneut rund sechshundert Höhenmeter auf.

Oben beim Pass auf der Grenze zur Schweiz entdecke ich etwas Verwirrendes. Die italienischen Schilder zeigen an, dass sich hier der “Passo di Malghera” befindet und knapp zwei Meter daneben sind die Schweizer Schilder, die auf einen komplett anderen Namen verweisen. Wurden sich hier die Italiener und Schweizer nicht einig, oder hat der Pass tatsächlich zwei Namen? Ich weiss es leider bis heute nicht!

Ich steige auf die Schweizer Seite ab und suche gegen sechs Uhr abends einen geeigneten Zeltplatz. Ich finde ziemlich schnell einen, doch warte ich mit dem Aufbau ab, da es noch viel zu hell ist und ich ja nicht unbedingt entdeckt werden möchte.
So koche ich mir mein Nachtessen, telefoniere mit Freunden und baue kurz vor Sonnenuntergang mein Zelt auf.
Die Nacht wird kühl und so ziehe ich mir meine Sturmhaube an, so dass ich am Kopf in der Nacht nicht auskühle. Denn die anderen Körperteile sind ja bedeckt. Als kleinen Luxus habe ich sogar handgestrickte Bettsocken aus Wolle dabei. Die Grossmutter von Doris hat mir extra welche für meine Via-Alpina gestrickt. Dabei hat sie tatsächlich darauf geachtet, dass diese auch in meine ultraleichte Ausrüstung passt. So hatte ich dank den Socken bisher noch nirgends, weder im Zelt noch in Hütten, kalte Füsse.

Der nächste Morgen startet früh. Ich bin vor Sonnenaufgang wach, packe meine Sachen zusammen und esse mein Müsli zum Frühstück.
Etwas mehr als eine Stunde später bin ich bei wunderbarem Wetter unterwegs nach Poschiavo hinab. Bergab telefoniere ich und gönne mir unten spontan wieder einmal ein knuspriges “Gipfeli”.

Kurz darauf geht’s weiter, hoch in Richtung “Passo di Campagneda”. Mich erwarten nun tausend sechshundert Höhenmeter Anstieg an einem Stück.
Das Wetter spielt perfekt mit und so führen mich die Wege zuerst durch Wald, dann über Alpwiesen und später über alpines Ödland. Gute vier Stunden später bin ich dann oben und überschreite wieder die Grenze zu Italien.

Ich kenne mein heutiges Tagesziel noch nicht genau, doch weiss ich, dass es neunzig Minuten weiter unten zwei Hütten gibt, die zwanzig Gehminuten auseinander liegen. Dort werde ich bei einer um einen freien Platz nachfragen. Auf dem Weg bergab begegne ich glasklaren Bergseen, die bei heissem Wetter sicher einladend für eine Abkühlung sind. Doch heute ist mir das Wetter für ein Bad darin zu kalt, dennoch lege ich an einem einen Rast ein, geniesse den Moment, die Ruhe und den Wind wie er über das Wasser streift

Bei der ersten Hütte frage ich nach einem freien Bett. Der Wirt meint, sie haben keine Betten, nur Zimmer. “Komisch” denk ich mir, naja, ich nehme eines, richte mich ein und schreibe am Nachmittag an meinem Blog.
Am Abend setze ich mich in die Hüttenstube. Es sind heute nur zwei Deutsche und ich zu Gast. Mir erscheint deshalb sehr suspekt, als ich entdecke, dass für uns getrennte Sitzplätze zugewiesen werden. Ich setze mich an meinen Tisch und kurz nach der Vorspeise meint der eine Deutsche zu mir: ”Also wenn du magst, darfst du dich gerne zu uns setzen." Ich freue mich und zügle mein ganzes Gedeck zu ihnen an den Tisch. Wie ich erfahre, sind die beiden auch auf Wanderung und so haben wir uns viel zu erzählen. Nach dem Nachtessen ziehe ich mich zurück und wünsche ihnen eine gute Nacht.
Am nächsten Morgen beim Frühstück wieder dasselbe, zuerst zügle ich mein Gedeck zu den beiden netten Herren und so können wir gemeinsam frühstücken. Nach ausgiebigen Gesprächen und einem wieder spartanischen Frühstück verabschieden wir uns und ziehen in entgegengesetzter Richtung los. Sie bergwärts, ich talwärts.
Auch dieses italienische Rifugio enttäuscht mich. Katastrophale Betten, schlechtes und wenig Essen, überteuert und kein Charme. Schade, denn der Wirt ist freundlich, unkompliziert und nett.
Nach vierzig Minuten Abstieg merke ich, dass ich die falsche Abzweigung genommen habe. Normalerweise signalisiert mir dies meine Uhr akustisch und haptisch, doch leider habe ich dies wohl irgendwie verpasst. So plane ich kurzerhand um und nehme die asphaltierte Strasse, die durch sieben Tunnel zurück auf meinen ursprünglichen Trail führt.

Mein heutiges Tagesziel liegt irgendwo zwischen “Chiareggio” und dem “Passo del Muretto”. Also kurz vor der Schweizer Grenze. Nach der asphaltierten Passage führen mich die Wege durch wild-romantische Landschaften, wo ich am liebsten gleich mein Nachtlager aufschlagen möchte, doch es ist ja noch vormittags und so geniesse ich die Landschaft halt nur im Vorbeigehen.

Später wird der Weg wieder etwas weniger romantisch und führt mich über eine Skipiste zur nahegelegenen Sesselliftstation hinauf. Auf der anderen Seite geht's wieder talwärts, hinab nach Chiareggio, vorbei an verschiedenen Alphütten sowie über alte Säumerwege.

Im Dorf kaufe ich mir ein Stück lokal produzierten Salami ein, fülle meine Wasserreserven auf und starte mit der nächsten Etappe bergauf in Richtung Schweizer Grenze.
Eine knappe Stunde später entdecke ich im Wald eine geeignete Stelle für mein Nachtlager und entscheide mich, hier zu bleiben. Nach einem längeren Telefonat mit Zuhause baue ich mein Zelt auf und koche mir mein Nachtessen. Leider verschütte ich mit meinem unvorsichtigen Handeln dabei über die Hälfte meiner Wasserreserven. Leise fluche ich vor mich hin und rege mich auf. Denn dieses Wasser muss fürs Nachtessen, fürs Frühstück und für morgen ausreichen, also auch noch für einen Teil des Aufstiegs. Das tut es nun definitiv nicht mehr. So koche ich mir zuerst hungrig mein Nachtessen und versuche während dem Essen, anhand der Karte, herauszufinden, wo ich denn meine Wasserreserven heute wieder auffüllen kann.

Gestärkt durch das Nachtessen mache ich mich auf die Suche nach Wasser, ohne dabei unbedingt zwei Stunden ins Dorf ab- und wieder aufzusteigen. Nach etlichen vermeintlich wasserführenden Bächen und vierzig Minuten später, entdecke ich eine Alphütte mit Wasserhahn und kann dort, leicht angespannt und hoffentlich ohne entdeckt zu werden, meine Wasserreserven vollständig auffüllen. Voller Stolz und mit einem breiten Grinsen trage ich das Wasser zurück zu meinem Lager. Glücklich mache ich mich bettfertig und schlafe später zufrieden ein.

Kurz nach halb sechs Uhr bin ich wach, esse mein Frühstück, packe meine Sachen zusammen und starte eine Stunde später. Im Schatten der Berge steige ich achthundert Höhenmeter zum “Passo del Muretto” auf, bis mich kurz vor dem Pass um neun Uhr die ersten Sonnenstrahlen streifen. Auf dem Pass bläst ein eisiger Wind und so mache ich an einer windgeschützten Stelle einen ersten Rast und erfahre an einer Tafel viel Spannendes über diesen Ort.

Engadin
Danach geht’s bergab, wieder über die Grenze in die Schweiz, rund sechshundert Höhenmeter tiefer zum See “Lägh da Cavloc” und dann weiter nach Maloja. Dort werde ich voraussichtlich mein Zelt auf einem Campingplatz aufschlagen.
Zu Beginn des Abstiegs ist dieser noch recht steinig und wird unten zum See hin immer flacher. Dieser See kann zu Fuss recht gut umrundet werden und ist eine knappe Wanderstunde von Maloja entfernt. So kommt es, dass ich hier gegen Mittag viele Leute unterwegs antreffe.

Es gibt viele schön eingerichtete Grillstellen, wo man sich das Mittagessen auf dem Feuer selbst zubereiten kann. Für die, die das Kochen lieber den Profis überlassen, gibt es sogar eine kleine Wirtschaft mit Übernachtungsmöglichkeiten.
Kurz nach dem Mittag treffe ich in Maloja ein und muss noch einkaufen. Da es hier keinen Laden gibt, der meinen Bedarf abdeckt, nehme ich kurzerhand das “Poschi” (Postauto, Bus) ins nahegelegene Dorf Silvaplana. Dort kaufe ich ein und fahre wieder zurück nach Maloja.
Ich habe online vorab erfahren, dass die Plätze beim Camping nicht reserviert werden können, doch es hat wohl für ein kleines Zelt immer irgendwie Platz, schreiben die Betreiber auf ihrer Webseite. Mir gefällt die Einstellung und so laufe ich von der Busstation zum Campingplatz, der direkt am Silsersee liegt.
Das Check-in läuft reibungslos ab und so kann ich mir einen Platz aussuchen. Auf Anhieb finde ich leider nicht sofort einen geeigneten. Nicht weil es keine freien Plätze mehr hat, sondern weil der viele Regen in den letzten Tagen den Boden in einen vollgesogenen Schwamm verwandelt hat. Nach etlichem hin und her Laufen finde ich dann doch noch einen mässig zufriedenstellenden Platz.
Ich baue mein Zelt auf, richte mich ein und erkundige später die Umgebung. Dabei entdecke ich, dass hier bereits fleissig das 1. August Feuer für den morgigen Feiertag vorbereitet wird. Wie ich später erfahre, tun dies jeweils die Stammgäste.

Zum Nachtessen gönne ich mir eine leckere Pizza im Camping-Restaurant und komme mit einer spannenden Familie in den Austausch, die das Campen im Zelt liebt und mich auf ihre eigene Art und Weise überrascht und fasziniert. Am späteren Abend ziehe ich mich ins Zelt zurück und schlafe bald ein.
Am nächsten Morgen starte ich kurz vor acht und versuche schnell aufzusteigen und aus Maloja wegzukommen. Denn um circa neun Uhr zieht ein Gewitter südlich von Maloja mit starkem Niederschlag vorbei.
Kurz nach dem Start habe ich eine ungelesene Nachricht meines Freundes Marco auf meinem Handy. Er ist übers Wochenende mit seiner Frau Linda und den beiden Kindern in die Berge gefahren. Ich erfahre, dass er nur eine knappe Autostunde von meinem heutigen Tagesziel, Juf/Avers, entfernt wäre und ein kurzes Treffen, heute am Schweizer Nationalfeiertag, bei ihnen gut in den Tag passen würde. Wir bleiben vorerst dabei, dass ich mich gegen Mittag nochmals bei ihm melde, um Details telefonisch zu besprechen.
So steige ich weiter zügig auf, entferne mich stetig von Maloja und kann die dunklen, aufziehenden Wolken am anderen Talhang und über dem Silsersee gut beobachten.

Später höre ich entferntes Donnergrollen. Der Wind trägt sogar ganz feinen Regen bis zu mir, denn über mir sind keine Regenwolken zu sehen. Ich komme gut voran und mache nach rund zwei Stunden Wandern den ersten Rast beim Lägh dal Lunghin.

Weiter geht’s bergauf in dichten Nebel hinein. Es wird schlagartig kühler und so ziehe ich mir eine Schicht mehr über und begegne kurz darauf zwei jungen Wanderinnen, die absteigen. Ich erkundige mich, ob es weiter oben nebelfrei sei, doch sie meinen, es sei sehr wechselhaft.
Oben auf dem Pass, auf über zweitausend sechshundert Meter über Meer, trübt der Nebel die Weitsicht. Da ich keine Weitsicht habe, liegt meine Aufmerksamkeit auf dem Naheliegenden. Dabei entdecke ich eine Wasserscheide, bei der das Wasser in drei verschiedene Meere fliessen kann, je nachdem, wo es auf den Boden trifft.

Kurz darauf steige ich ab zum Septimerpass, der übrigens bereits zur Römerzeit begangen war. Der Weg führt mich anschliessend wieder bergauf zum nächsten Pass in Richtung Averstal. Kurz vor Mittag erreiche ich die Forcellina und lege den zweiten Rast ein. Diesmal gönne ich mir eine etwas ausgiebigere Pause und telefoniere dabei wie abgemacht noch kurz mit Marco. Wir stimmen uns über den Treffpunkt sowie die Uhrzeit ab und freuen uns auf unser spontanes Treffen.
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Die Zeitdauer der einzelnen Etappen sind in meiner Planung immer mit Pausen gerechnet. Ich habe dabei versucht, eher auf der sicheren Seite zu planen, damit nicht zu viele Höhenmeter und zu grosse Distanzen pro Etappe geplant sind. Wenn meine Motivation und meine körperliche Verfassung es zulassen, kann ich jeweils immer noch einen Teil von der nächsten Tagesetappe anhängen.
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Wir werden uns zwischen zwei und drei Uhr nachmittags in Avers treffen, um dort etwas zu plaudern und die Zeit zu geniessen. So geht’s rund tausend dreihundert Höhenmeter tiefer, hinab nach Avers. Dreissig Minuten nach unserem Telefonat sehe ich bereits das Dorf Juf, welches das Hinterste im Averstals ist. Es rühmt sich zudem als höchstgelegenste Siedlung in Europa, die das ganze Jahr über bewohnt ist und liegt dabei knapp auf über zweitausend einhundert Meter über Meer.

Beängstigend pünktlich bin ich um Punkt zwei Uhr nachmittags bei unserem Treffpunkt vor einem Restaurant. Vorsichtshalber habe ich heute Mittag Marco ein Zeitfenster zwischen zwei und drei Uhr angegeben, doch geplant im Kopf hatte ich eigentlich immer zwei Uhr.
Kurz darauf treffen sie ein und wir begrüssen uns freudig. Wir setzen uns ins Restaurant und plaudern über vieles, das uns gerade bewegt und umtreibt. Eigentlich wäre noch ein kleiner Spaziergang geplant gewesen, doch das Wetter spielt nicht mit und so regnet es fast die ganze Zeit.
Die Zeit vergeht wie im Flug und schon sind über zwei Stunden um. Der Regen hat mittlerweile aufgehört und so verabschieden wir uns voneinander. Sie schenken mir zum Abschied und zum heutigen Schweizerischen Nationalfeiertag noch einen Cervelat und zwei von mir georderte Snickers.

Für mich geht's nun noch rund vierzig Minuten bergab zu meinem Tagesziel, einem Bauernhof. Erfreut und zufrieden über den schönen Besuch laufe ich los und winke ihnen nach, bis sie kurz darauf hinter der nächsten Kurve verschwinden.
Beim Bauernhof rufe ich die Inhaber an und frage nach, wo ich denn nun mein Zelt aufstellen darf. Denn gestern habe ich mich auf der Karte umgesehen, wo ich eventuell mein Zelt hier im Tal aufstellen kann. Dabei entdeckte ich “Schlafen im Stroh” auf einem Bauernhof. Spontan entschied ich mich, nachzufragen, ob sie denn noch Platz haben. Doch wie erwartet ist heute alles ausgebucht und so darf ich alternativ kostenlos mein Zelt bei ihnen auf der frisch gemähten Wiese aufstellen.
Kurze Zeit später steht mein Nachtlager und ich kann meinen ganz eigenen, speziellen 1. August, ohne Jubel-Trubel und ohne Feuerwerk in aller Ruhe geniessen.

Kurz nach Sonnenuntergang ziehe ich mich ins Zelt zurück, denn es beginnt leicht zu regnen. Ich bereite mich auf eine kalte Nacht vor. Denn die Temperaturen sinken hier auf knapp zweitausend Meter über Meer in der heutigen Nacht auf rund vier Grad. Dies ist gerade knapp noch die Komfort-Temperatur meines Quilts. Damit er in der Nacht nicht verrutscht und ich nicht zu frieren beginne, befestige ich ihn um die Isomatte und um meinen Hals und ziehe zudem meine warmhaltende Schlafkleidung an. Der Regen wird später stärker, doch irgendwann schlafe ich trotz des prasselnden Regens zufrieden ein.

Die Nacht war tatsächlich sehr kalt, doch ich hatte glücklicherweise warm und so fand ich auch einen erholsamen Schlaf. Ich beginne zu frühstücken und starte meine morgendliche Routine. Wetter checken, Route ansehen, Wasserstellen bestimmen und vieles mehr. Leider regnet es immer noch und es wird bis mittags auch so bleiben. So packe ich heute meinen Rucksack bereits im Zelt. Zum Schluss folgt natürlich auch noch das Zelt selbst, welches ich heute ausnahmsweise aussen am Rucksack befestige. Denn es kommt mir nichts Nasses in den Rucksack. Trotz Regen starte ich motiviert und wandere leichtfüssig talwärts.

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Alles in meinem wasserdichten Rucksack ist zusätzlich wasserdicht verpackt. Falls dann doch mal Wasser in den Rucksack gelangt, ist so alles nochmals geschützt. Denn es gibt unterwegs nichts Ärgerlicheres als nasse Kleidung, Essen oder Elektronik. Besonders Schlafsack und Schlafkleidung dürfen nicht nass werden. So, dass ich nach einem verregneten Tag, abends mindestens die nassen Kleider abstreifen und in trockene Kleidung schlüpfen kann.
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Heute werde ich bis Innerferrera hinunter wandern und dann das Poschi bis Thusis nehmen. Dort lege ich morgen auch gleich meinen Ruhetag ein, kann waschen und einkaufen. Zudem feiern Doris und ich nächste Woche in Thusis unseren Hochzeitstag. Am Dienstag fahre ich dann wieder zurück nach Innerferrera, um von dort weiter auf meiner Via-Alpina unterwegs zu sein.
Der Weg bergab führt mich auf alten Säumerwegen durchs Averstal hinab, immer entlang dem Hinterrhein und in Richtung Rofla- und Viamalaschlucht

In Innerferrera erwische ich knapp noch das Poschi nach Thusis, ansonsten hätte ich eine Stunde auf das Nächste warten müssen. In Thusis checke ich im Hotel ein, nehme eine Dusche und gehe einkaufen. Am Abend packe ich mein Zelt aus und bastle aus einer Reepschnur behelfsmässig eine Wäscheleine, um mein Zelt und die gewaschenen Kleider im Zimmer zu trocknen. Zum Nachtessen gibt's heute Reste aus meinem Vorrat.

Am nächsten Morgen frühstücke ich natürlich wieder ausgiebig. Ich geniesse dies jeweils, wenn ich in Hotels beim Frühstücksbuffet richtig zuschlagen darf. Da kann es auch schon mal vorkommen, dass ich an einem Ruhetag zwei Stunden beim Frühstück sitze und immer wieder was esse.😊
Später packe ich meinen Rucksack, checke aus dem Hotel aus und erkunde Thusis. Am frühen Nachmittag laufe ich zum Bahnhof, sitze in ein Café, schreibe an meinem Blog und warte auf den einfahrenden Zug, mit dem Doris anreist.
Als sie aus dem Zug aussteigt und zum Café läuft, lächelt sie mir zu und wir freuen uns beide auf unser Wiedersehen. Wir lassen uns Zeit und checken später beim gebuchten Bed and Breakfast ein, welches übrigens gleichzeitig eine Confiserie und ein Restaurant ist, und geniessen den Abend.
Nachklang
Eigentlich sollte ich es ja wissen, dass ich meinem Bauchgefühl vertrauen kann, also nur wenn ich nicht gerade Hunger habe 😉. Ich meine damit meine enttäuschenden Erlebnisse in den beiden italienischen Rifugios. Denn als ich dort davor stand, wusste ich bereits, dass ich diese beiden meiden sollte. Doch mein Verstand war da anderer Meinung!
Das verschüttete Wasser zeigt mir einmal mehr, wie wichtig verlässliche Wasserstellen sind. Denn alle angesteuerten Bäche, bei denen ich mit Wasser gerechnet hatte, führten kein Wasser und waren komplett trocken. Zum Glück gab's da noch diese Alphütte.
Mittlerweile gelingt es mir sehr gut, meine Wanderzeit anhand der Distanz inklusive Höhenmetern und Pausen einzuschätzen. Teilweise wandere ich da gleich zwei Etappen an einem Tag, obschon ich diese bei der Planung auf zwei Tage verteilt habe. Zu Beginn meiner Via-Alpina war dies auch schon so, doch habe ich mir da teilweise etwas zu viel vorgenommen und oft gedacht, dass ich pro Etappe weniger Zeit brauche als geplant.
Nächste Woche feiere ich in Thusis mit Doris unseren Hochzeitstag und anschliessend bin ich den restlichen Teil im Engadin unterwegs. So, dass ich gegen Ende der Woche bereits schon im Tessin anzutreffen bin.
PS: Der Podcast von der Aufnahme aus der Woche 8 ist online und kann hier oder direkt ganz unten auf dieser Seite abgespielt werden.
Bis dahin, liebe Grüsse aus Biasca ✌🏼
Sascha
